Ronny Patz
Ronny Patz ist Politikwissenschaftler und 1983 bei Dresden geboren und bei Gommen aufgewachsen.
Gegangen: Ronny lebt heute in München.
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Weshalb bist du gegangen?
Ich bin zunächst gegangen, um in Berlin Politikwissenschaft zu studieren. Ich wollte Diplomat werden. Während des Studiums hab ich in Tartu/Estland (Erasmus & Praktikum im estn. Bildungsministerium) und in Strasbourg (Praktikum Auswärtiges Amt) gelebt, direkt nach dem Studium in Chișinău/Republik Moldau (Traineeship Europarat). Diese Berufserfahrungen zeigten mir, dass ich doch nicht Diplomat werden wollte. Also bin ich 2009 zunächst „zurückgekehrt“, um in Potsdam über Informationsflüsse in der EU-Politik zu promovieren. Diese Forschung hat mich dann nach Brüssel gebracht, wo ich mehrere Jahre für Transparency International gearbeitet habe. 2014 ging’s von dort als PostDoc an die LMU München.
Wie gestaltest du die Zukunft?
Ich untersuche in meiner Forschung an der LMU München mit vielfältigen Methoden die Politik der Finanzierung internationaler Organisationen, insbesondere in den Vereinten Nationen und der Europäischen Union. Meine Arbeit trägt hoffentlich dazu bei, zu überlegen, wie die Zukunft des Multilateralismus aussehen kann, in einer Welt, in der die großen politischen und gesellschaftlichen Herausforderungen schon lange nicht mehr an Ländergrenzen Halt machen. Gleichzeitig versuche ich, unter anderem über Twitter, die europäische und globale Sicht, die ich durch meinen persönlichen Werdegang und meinen Beruf entwickelt habe, auch mit der Welt zu teilen.
Glaubst du, deine Wende-Erfahrung bzw. die Wende-Erfahrung deiner Familie hat dich auch für den Digitalen Wandel gewappnet?
Fühlst du dich Ostdeutsch?
Ich bin ostdeutsch. Aber ich fühle mich nicht ostdeutsch. In meinem sozialen und beruflichen Alltag hat diese Herkunft sehr wenig Bedeutung. Ostdeutsch sein ist eher Teil von Herkunftserzählungen als ein Gefühl. Mehr Anekdote als Identität, wenn auch immer mal wieder eine nette Anekdote. Wenn überhaupt, dann ist meine ostdeutsche Herkunft bestenfalls ein Baustein einer Identität, die irgendwo zwischen Sachsen-Anhalt und Bayern, Brüssel und Berlin angesiedelt ist. Diese Identität speist sich aus den persönlichen Beziehungen zu Menschen, die mir wichtig sind, und auch wenn davon viele ostdeutsch sind, sind es eben viele auch nicht.
Wie beeinflusst dich deine ostdeutsche Herkunft?
Ich habe nach der Wende von meinen Eltern, von den Lehrer*innen meines Gymnasiums (eine Europaschule im ländlichen Sachsen-Anhalt!) und von den Leuten in meiner Umgebung das Gefühl von Aufbruch, von Neugier auf die Welt, von europäischer Identität, von Freiheit, von technologischer Modernisierung mitgenommen. Gleichzeitig war immer klar, dass diese Zeit auch ein krasser Umbruch war – nicht zuletzt sichtbar in einer heute kaum noch vorstellbaren Arbeitslosenquote in der Heimat. Ich weiß daher, viel besser als in meiner Jugend, dass ich natürlich zu den Wendegewinnern gehöre und dass nicht alle dieses Glück hatten. Für die Chancen, die mir geboten wurden, bin ich daher extrem dankbar.
Was wünschst du dir für Ostdeutschland?
Ich wünsche mir einfach eine Normalisierung. Sachsen-Anhalt ist nicht Bayern, und Mecklenburg-Vorpommern nicht das Saarland. Aber Sachsen-Anhalt ist eben auch nicht Mecklenburg-Vorpommern. Das Leben in Deutschland, in Europa, in der Welt ist vielfältig, und 30 Jahre nach der Wende gibt es das eine Ostdeutschland genauso wenig wie es „die“ Ostdeutschen gibt. Wer heute in Ostdeutschland lebt, sollte verstehen, dass man große Gestaltungsspielräume hat, die es vielleicht in anderen Teilen Deutschlands oder Europas nicht gibt. Dafür halt andere Herausforderungen. Aber da geht’s dem Saarland nicht anders.