Wir sind der

Osten

Christian Frohs

Christian Frohs ist Beamter und 1985 in Bad Muskau geboren, in Weißwasser und Dresden aufgewachsen.

Geblieben: Christian wohnt aktuell in Berlin.

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Weshalb bist du geblieben?

Ich bin im Osten geblieben, um einerseits meiner Heimat nah zu sein und ich zweitens – vorrangig – mit Berlin zum Großstadtfan wurde. Die gesellschaftlichen Unterschiede zwischen Provinz und Berlin sind aber gewaltig. In der Provinz machen sich viele zur Opferrolle, leben mit wenig Akzeptanz und Toleranz, ist die Solidarität geringer, der Mut für Neues und Wandel schwächer. Entsprechend spürt man kaum noch Lebendigkeit, sondern eher verstaubten Alltagstrott. Je größer die Stadt im Osten, desto mehr kehrt sich das um. Berlin ist tolerant, solidarisch, neu und vor allem lebendig – 24/7. Hier bekommt man alles, was man möchte, ohne dass man es muss. Man hat hier eben die Freiheiten.

Wie gestaltest du die Zukunft?

Sehr detailreich darf ich leider nicht über meinen Beruf berichten, aber ich habe beruflich unter anderem auch mit strukturschwachen Regionen (also auch Ostdeutschland) zu tun. Freizeittechnisch bin ich viel unterwegs und genieße das Leben. Ich habe einen Garten, habe Leidenschaften für die Fotografie, die Musik und den Tanz, die Freiheit jederzeit einkaufen oder was trinken gehen zu können und ich liebe es durch die Stadt zu gehen, um neuen Kulturen, Menschen, Ausstellungen und Konzerten zu begegnen. Kurz gesagt, lebe ich genau die Dinge, die ich in der Heimat nicht oder kaum wiederfinde.

  • 1985

    Bad Muskau

  • 2020

    Berlin

Glaubst du, deine Wende-Erfahrung bzw. die Wende-Erfahrung deiner Familie hat dich auch für den Digitalen Wandel gewappnet?

5 von 5
Stimme gar nicht zu
Stimme voll und ganz zu

Fühlst du dich Ostdeutsch?

Ich fühle mich mittlerweile gesamtdeutsch. Ich bin froh, dass ich nicht alles aus dem Osten übernommen habe und dem Westen für vieles dankbar. Das sehen leider wenige Menschen im Osten so. Ja, es gibt gewiss noch Unterschiede, die auch politisch noch bewältigt werden müssen, aber das meiste hängt in den Köpfen eines jeden Einzelnen. Wenn man erstmal gesamtdeutsch denkt, sieht man weniger Probleme, sondern eher die Chancen. Man muss sich aber auch mal zu etwas trauen.

Wie beeinflusst dich deine ostdeutsche Herkunft?

Den größten Einfluss sehe ich eher noch im kulinarischen Bereich. Viele traditionelle Gerichte koche ich heute noch gerne. Ansonsten habe ich mir das meiste nach der Wendezeit beigebracht, allen voran in Berlin. Die Großstadt passt sich dem Wandel schneller an als die Provinz. Dies hat nicht ausschließlich politische Gründe. Leider wollen viele in der Provinz die Vergangenheit nicht loslassen. Anstatt aus sich herauszukommen, verschanzen sie sich eher in sich selbst. Neues wird nicht ausprobiert, stattdessen längst Verbrauchtes versucht zu bewahren.

Was wünscht du dir für Ostdeutschland?

Ich träume von einem Osten ohne rechte und linke Randparteien, von Menschen mit Mut zu Neuem, welche sich nicht als Opfer sehen, sondern als Chancengeber. Der Osten hat so vieles zu bieten, aber es wird leider zu wenig nach außen getragen und die Hilfe zu wenig angenommen. Durch Angst und Hass der provinzialen Ostdeutschen entsteht eine Zurückhaltung aus Städtern und westdeutschen Regionen. Dadurch gibt es wenig Touristen und Rückkehrer, sprich: die Provinzen machen sich selbst kaputt. Ich wünschte, die Ostdeutschen würden aufwachen und dem Rest der Welt mit Freude begegnen und zeigen, dass der Osten auch schön sein kann – in Kultur, Gesellschaft, Liebe, Landschaft und Tradition.