Sven Müller
Sven Müller ist 1964 in Hamburg geboren und später nach Ostdeutschland gezogen.
Rübergemacht: Sven wohnt aktuell in Neustrelitz, wo er Theaterintendant ist.
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Weshalb hast du in den Osten rübergemacht?
Ich hatte nie das Gefühl, dezidiert nach Ostdeutschland zu gehen, oder gar rüberzumachen. Nach 19 Jahren im Ausland hatte ich den Wunsch, wieder die deutsche Sprache auf der Bühne zu hören und mit ihr zu arbeiten. Ich habe es als Heimkommen empfunden. Ich kenne viele Theater und Regionen in Deutschland und könnte mir nicht vorstellen, in allen von diesen zu arbeiten. Bei Mecklenburg-Vorpommern aber war mir klar: Hier könnte ich hingehören. Ich kannte die wunderschöne Landschaft durch einige Besuche, am Neustrelitzer Theater hatte ich sogar in der Spielzeit ’94/95 als junger Gastregisseur gearbeitet. Zudem dachte ich, dass die Menschen hier zu meinem norddeutschen Naturell entsprechen würden. Das hat sich als richtig erwiesen.
Wie gestaltest du die Zukunft?
Ich trage bei zum kulturellen und sozialen Leben in der Region. Theater soll identitätsstiftend und heimatverbindend sein, relevant sein, unsere Gegenwart aufgreifen, diskutieren und erklären und Erkenntnisse vermitteln. Dabei ist es sinnlich und macht Spaß. Wir tragen bei zur Lebensqualität in der Region.
Glaubst du, Menschen in Ostdeutschland können besser mit Veränderungen bzw. Wandel umgehen?
Fühlst du dich ostdeutsch?
Nein. Ich fühle mich aber auch nicht westdeutsch. Ich fühle mich als Europäer deutschen Ursprungs.
Ostdeutsch fühle ich mich nicht, weil ich eben nicht hier aufgewachsen bin und auch die Zeit vor 1989 nur aus Erzählungen kenne.
Nach 19 Jahren im Ausland war ich eigentlich überrascht und auch etwas traurig, dass die Begriffe Wessi und Ossi immer noch solch eine Rolle spielen.
Deutsch zu sein bedeutet für mich, die gleiche Sprache zu haben, die gemeinsame Kultur und die gemeinsame Geschichte. Ich denke beim Begriff Deutsch nicht an einen Nationalstaat.
Welche Erfahrungen hast du in Ostdeutschland gemacht?
Wie überall in Norddeutschland hat es etwas gedauert, mit den Menschen in Kontakt zu kommen, ist dieser aber erst etabliert, ist der Umgang miteinander aufrichtig, verlässlich und durchaus wertschätzend.
Ich habe aber auch die Erfahrung gemacht, dass die Mitarbeiter einen mehr autoritären und anordnenden Führungsstil erwarten als den sehr interaktiven und auf Tragen von Mitverantwortung fußenden Führungsstil, den ich in Skandinavien erlernt habe.
Glaubst du, Westdeutsche hatten nach der Wiedervereinigung im Osten Vorteile?
Ich vermute schon. Aber genau kann ich das nicht sagen, mein Leben hat sich ab 1996 mehr im Ausland als in Deutschland abgespielt und von 2000 an dann vollends im Ausland.
Wenn, dann hatten die Westdeutschen Vorteile, durch ihre Angepasstheit an die westdeutschen Systeme (wirtschaftlich, verwaltungstechnisch), von denen ja die meisten auch in den neuen Bundesländern etabliert wurden.
Was hast du in Ostdeutschland gelernt?
Ich glaube, hier gibt es eine hohe Resilienz, ein Sich-nicht-unterkriegen-Lassen in schwerer Zeit, wie wir sie auch gerade in der Corona-Pandemie erleben. Das ist beeindruckend und davon kann ich mir wirklich eine Scheibe abschneiden.
Ansonsten liebe ich hier die tolle Verbindung von Natur und Kultur und die kurzen Wege.
Was wünschst du dir für Ostdeutschland?
Mut, seine Werte zu erkennen und zu schätzen. Freude an der eigenen Identität.