Christian Geisler
Christian Geisler ist 1965 in Duisburg geboren und später nach Ostdeutschland gezogen.
Rübergemacht: Christian wohnt aktuell in Warnemünde, wo er als Personalleiter arbeitet.
Foto: T. W. Klein
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Weshalb hast du in den Osten rübergemacht?
Ich habe ein Jobangebot erhalten, das ich nicht ablehnen konnte. Nach 30 Jahren in der Finanzbranche habe ich als Personaler eine neue Herausforderung gesucht; ganz bewusst in einer anderen Branche. Allerdings haben meine Frau und ich uns nicht sofort für Rostock entschieden. Wir haben einige Zeit und einen Urlaub in Mecklenburg-Vorpommern gebraucht, um sicher zu sein, dass wir uns hier wohlfühlen werden. Nach nunmehr drei Jahren haben wir hier ein neues Zuhause gefunden. Wir sind sogar „Botschafter“ für die Region, weil wir mittlwerweile viele Freunde und Bekannte davon überzeugen konnten, auch mal hier Urlaub zu machen.
Wie gestaltest du die Zukunft?
Ich suche, finde und rekrutiere Fachkräfte aus Deutschland und dem Ausland. Der Fachkräftemangel verlangt von mir und meinem Team bei der Personalsuche unsere Kreise immer weiter zu ziehen. Nur so können wir offene Stellen in Rostock besetzen. Hierbei sind wir recht erfolgreich, nicht zuletzt, weil Rostock und Umgebung dem Bewerber sehr viel zu bieten haben. Es gilt allerdings viel Überzeugungsarbeit zu leisten, bevor sich jemand aus anderen Bundesländern hierher bewegt.
Glaubst du, Menschen in Ostdeutschland können besser mit Veränderungen bzw. Wandel umgehen?
Fühlst du dich ostdeutsch?
Nein. Ich fühle mich norddeutsch. Ich habe zu Beginn meiner Zeit in Rostock versucht, herauszufinden, was hier ostdeutsch ist: Die Sprache? Die ist norddeutsch. Die Menschen? Die sind freundlich und zurückhaltend. Die Mentalität der Menschen? Sie sind heimatverbunden und nur selten überkandidelt. Die Küche? Ich kannte nur Soljanka und Jägerschnitzel so vorher nicht. Das einzige Mal, als mir bewusst wurde, dass ich einen anderen historischen Hintergrund habe war, war die Gartenparty eines Freunde. Er fragte, welche Musik er spielen solle. Ich antwortete: 80er. Spielte er dann auch, aber ich kannte keinen einzigen Song. In unserer Jugend hatten wir tatsächlich sehr unterschiedliche Musik gehört.
Welche Erfahrungen hast du in Ostdeutschland gemacht?
Die meisten Freunde hielten unseren Plan zunächst für einen Witz. Mittlerweile haben sie uns alle besucht. Jetzt verstehen sie, warum wir uns hier so wohlfühlen. Unsere Familien haben sich eh über den Umzug gefreut. Da meine Frau und ich an der schleswig-holsteinischen Ostseeküste groß geworden sind, kannten wir die zurückhaltende, eher spröde norddeutsche Art bereits. Wir haben uns jedenfalls schnell eingelebt. Man braucht hier länger als anderswo, um engere Kontakte zu knüpfen und Vertrauen aufzubauen. Wer geduldig ist, findet aber auch hier nette und verlässliche Freunde. Und in Mecklenburg-Vorpommern finden wir immer neue Reiseziele für das Wochenende, die begeistern und überraschen.
Glaubst du, Westdeutsche hatten nach der Wiedervereinigung im Osten Vorteile?
Ich kann mir vorstellen, dass unmittelbar nach der Wende die mangelnde Erfahrung der Ostdeutschen in der freien Marktwirtschaft ein Nachteil war, den sie erst aufholen mussten. Da ist es sicherlich für manchen Westdeutschen ein Leichtes gewesen, den Mangel an Erfahrung zum eigenen Vorteil auszunutzen.
Aktuell sehe ich keinerlei Unterschiede mehr. Alle Deutschen haben in den vergangenen Jahrzehnten die gleichen Erfahrungen gemacht, haben dieselben Rechtsgrundlagen und die gleichen Bildungs- und Informationsmöglichkeiten.
Was hast du in Ostdeutschland gelernt?
Ein Ortswechsel hierher tut nicht weh. Wenn man offen auf die Menschen zugeht und idealerweise nicht voreingenommen ist, dann lebt es sich hier prächtig. Ich habe bisher noch keinen Menschen getroffen, der der DDR nachtrauert. Ich habe dafür viele Menschen getroffen, die trotz eines kritischen Blickes auf die Situation in Deutschland froh sind, dass es die Wende gegeben hat und sie im wiedervereinigten Deutschland leben. Mich beeindruckt besonders die Reisefreudigkeit. Viele Menschen aus meinem neuen beruflichen und privaten Umfeld haben bereits die halbe Welt gesehen. Da komme ich bei Weitem nicht mit.
Was wünschst du dir für Ostdeutschland?
Dass nur noch über Deutschland geredet wird und die Unterscheidung – Ost und West – langsam mal ad acta gelegt wird.