Andreas Kötzing
Andreas Kötzing ist Historiker und 1978 in Grevesmühlen geboren, hat später in Bonn, München und Düsseldorf gelebt.
Zurückgekehrt: Andreas wohnt heute in Leipzig.
Foto: HAIT Dresden
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Weshalb bist du zurückgekehrt?
Ich habe in Leipzig studiert, war mir am Ende meines Studiums aber nicht sicher, wo und wie es weitergehen soll. Am Ende hatte ich Glück mit einer Bewerbung auf ein Volontariat bei der Bundeszentrale für politische Bildung in Bonn. Von dort hat es mich kurzzeitig zu einem Verlag nach München und später zu einer Stiftung nach Düsseldorf verschlagen. Dank eines Promotionsstipendiums hatte ich schließlich die Möglichkeit, zurück nach Leipzig zu kommen – das war ein Schritt, den ich nie bereut habe.
Wie gestaltest du die Zukunft?
Ich forsche über die Vergangenheit, um stereotype Bilder über das Leben in der DDR aufzubrechen. Dabei geht es mir unter anderem darum, die gegenwärtigen medialen Erinnerungen – im Kino und Fernsehen – zu hinterfragen. Ich glaube, dass das Gefühl, abgehängt oder Bürger zweiter Klasse zu sein, das viele Menschen mit einer DDR-Biographie noch immer haben, auch durch die mediale Erinnerungskultur geprägt wird. Wenn an das Leben in der DDR vor allem über Stasi, Fluchtgeschichten und Mangelwirtschaft erinnert wird, bleiben die individuellen Lebenserfahrungen vieler Menschen auf der Strecke.
Fühlst du dich Ostdeutsch?
Die Vorstellung einer ostdeutschen Identität finde ich schwierig. Ich fühle mich eher als Norddeutscher, weil ich am Meer groß geworden bin. Viel Wasser um mich zu haben, gibt mir ein Heimatgefühl, aber es muss nicht unbedingt die Ostsee sein. Ich fühle mich auch als Leipziger, weil ich hier inzwischen die Hälfte meines Lebens verbracht habe. Die Stadt liegt im Osten, ist in meinen Augen aber nicht nur ostdeutsch, sondern weltoffen. Meine „gefühlte“ ostdeutsche Herkunft mache ich eher an den Erinnerungen an meine Kindheit fest, als das Land noch geteilt war.
Wie beeinflusst dich deine ostdeutsche Herkunft?
Wenn ich heute Spielfilme über die DDR sehe, in denen die Kindern traurig aussehen, weil sie alle lieber in den Westen wollen, oder in Pionierblusen rumlaufen, so als hätte irgendjemand die in seiner Freizeit getragen, dann fühlt sich das falsch an, weil es mit meiner eigenen Kindheit nichts zu tun hat. Die Umbrüche der Nachwende-Zeit haben die Biographien aller Menschen im Osten radikal verändert, auch in meiner Familie. Für meine Generation gab es viele neue Chancen. Die Generation meiner Eltern stand hingegen vor der Herausforderung, noch einmal ganz von vorne anfangen zu müssen. Das prägt in jedem Fall.
Was wünschst du dir für Ostdeutschland?
Ich würde mir wünschen, dass man das Leben der Menschen individuell wahrnimmt und nicht immer kollektiv vom „Osten“ spricht, so als gäbe es da keine Unterschiede. Das betrifft sowohl die DDR-Vergangenheit mit all ihren Widersprüchen als auch die Gegenwart. Wenn wir irgendwann an den Punkt kommen, dass wir über soziale Probleme im gesamten Land sprechen können, ohne immer gleich in den Kategorien „Ost“ und „West“ zu denken, dann wäre viel erreicht.