Kristina Kämpfer
Kristina Kämpfer ist Promotionsstudentin und 1990 in Jena geboren.
Gegangen: Kristina wohnt heute in Oxford (Großbritannien).
Foto: privat
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Weshalb bist du gegangen?
Nach dem Abitur in Jena zu bleiben, war für mich ehrlich gesagt nie eine Option. Ich bin in einem der dortigen Plattenbauten aufgewachsen, wo die Wohnungen des Großteils meiner Schulfreunde und -freundinnen den exakt gleichen Grundriss wie unserer hatten. Alles hat sich total konform angefühlt. Ich habe mich früh für Politik interessiert und dann sehr schnell gemerkt, dass mir das Denken dort, wo ich herkam, zu klein war. Außerdem gab es für mich in Jena kaum Möglichkeiten, das, was mir gefiel (Politik zu studieren, zu verstehen und selbst zu gestalten) zu tun. Als dann die Zusage für den Studienplatz aus Berlin kam, war klar, dass ich gehen würde.
Wie gestaltest du die Zukunft?
Aktuell promoviere ich in Oxford und forsche zu den Auswirkungen der Finanzkrise 2007 bis 2009 auf den britischen und deutschen Finanzsektor aus der Perspektive von Frauen. Mein politisches Engagement begann vor über zehn Jahren in der Hochschulpolitik bei der Liberalen Hochschulgruppe an der Freien Universität Berlin. Seitdem habe ich in verschiedenen Gremien und (politischen) Organisationen mitgewirkt und leitende Funktionen übernommen. Neben Fragen der (Un-)Gerechtigkeit ist mir auch das Thema politische Partizipation und Repräsentation wichtig. Politisch denken und handeln macht mir Spaß und mich glücklich.
Glaubst du, deine Wende-Erfahrung bzw. die Wende-Erfahrung deiner Familie hat dich auch für den Digitalen Wandel gewappnet?
Fühlst du dich Ostdeutsch?
Es gibt sehr wenige Aspekte meiner Identität, die ich klar benennen kann. Aber ich fühle mich sehr ostdeutsch. Und das aktuell auch viel stärker als im Vergleich zu früher, als ich keine Lust mehr auf dumme Kommentare hatte und mir als Erstes nach meinem Wegzug aus Jena meinen Thüringer Dialekt abgewöhnt habe. Zu sagen, dass ich ostdeutsch bin, bedeutet für mich auch, meiner Familie nah zu sein. Meine Eltern und Großeltern haben den Großteil ihres Lebens in der DDR verbracht, sie haben die Vor-, aber eben auch Nachteile der Wiedervereinigung viel stärker gespürt als ich. Ich dagegen habe eigentlich nur gewonnen.
Wie beeinflusst dich deine ostdeutsche Herkunft?
Ich bin zeitgleich mit meinen Eltern im kapitalistischen System und wiedervereinigten Deutschland groß geworden. Das bedeutet, dass die (ökonomischen) Unsicherheiten meiner Eltern viel stärker auf mich abfärbten als das (zumindest gefühlt) bei meinen westdeutschen Freunden der Fall ist und, wenn ich ehrlich bin, bis heute bestehen. Es fehlt(e) ein bisschen das Grundvertrauen darin, dass alles gut wird. Sich davon zu emanzipieren war und ist schwer, weil es immer auch Distanz von den eigenen Eltern und deren Lebenswelt, die noch stark durch die DDR geprägt ist, bedeutet.
Was wünscht du dir für Ostdeutschland?
Von Parteien und Politiker(innen) wünsche ich mir mehr politische Bildung für die Generationen meiner Eltern und Großeltern. Niemand hat ihnen beigebracht, was Demokratie ist, wie sie funktioniert und wie man sich daran beteiligt.
Von denjenigen, die im Osten bzw. der DDR groß geworden sind, wünsche ich mir, dass Ihr eure Erwartungshaltung ändert. Kein Staat, keine Regierung ist für euer persönliches Glück verantwortlich – Eigenverantwortung ist anstrengend(er), aber notwendig.
Von denjenigen, die im Westen groß geworden sind – egal wie alt sie jetzt sind –wünsche ich mir ein ehrliches Interesse für und weniger Arroganz gegenüber dem Osten.