Dennis Chiponda
Dennis Chiponda ist stellv. Vorsitzender der SPDqueer in Sachsen und 1991 in Senftenberg geboren und aufgewachsen.
Zurückgekehrt: Dennis wohnt aktuell in Leipzig.
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Weshalb bist du zurückgekehrt?
Für uns gab es nicht wirklich die Möglichkeit auf eine gute Zukunft in Senftenberg. Ich wollte nach dem Ausland einen anderen Teil Deutschlands kennenlernen und dachte, in Nürnberg würde ich eine gute Basis legen um in Zukunft gut zu verdienen. Dort wurde mir das allererste Mal meine ostdeutsche Identität gespiegelt, der ich mir selbst nie bewusst war. Auf einmal nahm ich viele Unterschiede war, und um so mehr Vorurteilen ich begegnete um so trotziger wurde mein Ossi sein, bis ich, gerade auch weil ich Politik mache, wieder zurück wollte. Meiner Meinung nach, kann ich nur für die Menschen Politik machen, deren Gefühle, Biografien, Geschichten ich kenne und verstehe.
Was hat dich motiviert, politisch aktiv zu werden?
Diese Gesellschaft hat mir immer gezeigt, dass ich hier nicht hingehöre, wollte mir einreden, dass ich mich mit dem Mindesten dankbar zufrieden geben soll. Und so hatte ich nie große Ziele, denn mir war gar nicht bewusst, dass aus mir Politiker, Jurist oder Chef einer Firma werden könnte. Ich will Arbeiterkindern, Kindern mit Migrationserbe… eine Figur geben, die mir in meiner Kindheit gefehlt hat. Eine Erzählung, die für so viele ein Selbstverständnis ist. Ich will ihnen Steine aus dem Weg räumen, damit sie ihr Potenzial nicht daran verschwenden diese aus dem Weg zu räumen, sondern sich frei entfalten können.
Wie überzeugst du junge Menschen, in Ostdeutschland zu bleiben und vor Ort die Zukunft zu gestalten?
Gar nicht. Wir müssen alle unsere eigenen Erfahrungen machen. Wie könnte ich ihnen das verwehren? Wer sein Herz an den Osten verloren hat, der oder die kommt von ganz alleine zurück, weil man unterbewusst fühlt das etwas fehlt. Und wenn sie mit all ihrem Know How zurück kommen oder nie weg wahren, dann lebe ich ihnen einfach vor, wie man unsere Heimat gestalten kann. Denn das war es, was mir als kleiner Junge gefehlt hat: Vorbilder, die sind wie ich. Für diese neue Generation mach ich Politik und ihnen ebene ich den Weg, der für mich noch voller Hindernisse war. In der Hoffnung, dass diese Form von Empowerment in ihnen nur die Hälfte auslöst, was mich antreibt und Teil meiner Erfüllung ist.
Fühlst du dich Ostdeutsch?
Ich bin Ossi, weil meine Familie dafür kämpfen musste Ostdeutsch zu sein. Hier habe ich Erfahrungen gemacht, die ich nie wieder machen werde. Ich lebe Berliner Schnauze, auch wenn alle BB*innen wissen, dass sie die Berliner*innen von uns gemobst haben. Ich kann mich noch daran erinnern wie alle nach der Wende alles versucht haben, um wieder auf die Füße zu kommen. Ich weiß, was Zeiten wie die Baseballschlägerjahre mit Kindern machen. Und ich bin stolz und ehrfürchtig, dass ein Land Migrationserfahrungen gemacht hat, ohne sich vom Fleck zu bewegen. Und ich identifiziere mich mit dem, was aus dem Kampf der Vergangenheit erwachsen ist. Und niemand liebt Senfgurken und Kartoffeln mit Quark so sehr wie ich. :-D
Weshalb gibt es noch immer weniger parteipolitisches Engagement in Ostdeutschland und wie möchtest du das ändern?
Es gibt eine gewisse Skepsis gegenüber der Regierung, die noch aus der DDR stammt und an uns weiter vererbt wurde. Viele Strukturen mussten damals neu aufgebaut werden, und bestanden nicht seit 100 Jahren wie im Westen und nach der Wende hatte man um die Existenz gekämpft. Dazu kommt ein großes Gefühl vergessen worden zu sein. Damals wie heute, wird über den Osten gesprochen wenn Wahlen sind und sonst vergisst man uns gerne. Ich werbe mit meinem Beispiel und räume mit Vorurteilen auf. Versuche, die Strukturen so zu verändern, dass man sich mehr mit uns identifizieren kann. Vor allem müssen wir als Politik, aber wieder stärker als Partner der Bürger*innen wahrgenommen werden!
Was machst du, damit Ostdeutsche bessere Chancen haben?
Es geht hier um marginalisierte Gruppen. Wir haben viele Chancen. Was wir lernen müssen, ist sie besser zu nutzen. Es geht darum, soziale Ungleichheiten zu beseitigen und während des Prozesses gleiche Bedingungen für Ost und West zu schaffen.Ich will, dass alle Menschen in Deutschland ein gleichwertiges Leben führen können. Dazu gehört Mentorship, Platz machen für die mit weniger Privilegien, Netzwerke aufbauen, Empowern, Macht teilen und so eine kritische Masse in allen Bereichen zu schaffen, die nicht mehr überhört werden kann. Wir müssen alle mit am Tisch sitzen und mitbestimmen können. Es kann nicht sein, dass wir nur daneben stehen und uns mit den Resten begnügen.
Was wünscht du dir für Ostdeutschland?
Ich wünsche mir, dass wir viel mehr sehen können, was für Grandioses wir in so vielen Bereichen schon geschafft haben, ohne den Blick dafür zu verlieren, was weiter angegangen werden muss. Aber wenn unser Leben gut ist und es uns an kaum etwas fehlt, dann sollten wir uns und anderen das viel deutlicher bewusst machen. Ich wünsche mir, das wir die Macht in Deutschland erlangen, die uns zusteht, damit sich die Ossis gesehen fühlen. Und ich wünsche mir das sich die Westbürger*innen mehr mit dem Osten auseinandersetzen. Denn ich glaube das ist in großen Teilen bis heute nicht passiert und genau deswegen gibt es so viele Vorurteile und nur eine schwache gemeinsame Identität.