Antje Draheim

Dr. Antje Draheim ist Staatssekretärin für Bundesangelegenheiten (SPD) und Bevollmächtigte des Landes Mecklenburg-Vorpommern beim Bund. Sie ist 1970 in Rostock geboren und aufgewachsen.

Zurückgekehrt: Antje wohnt aktuell in Schwerin.

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Weshalb bist du zurückgekehrt?

Heimat ist Heimat. Und die braucht Menschen, die sich engagieren. Engagement entsteht aus Verbundenheit. Gegangen bin ich, weil es 1990 kaum die Möglichkeit, zu Hause zu studieren. Zudem: Woanders hinzugehen, um zu lernen, Erfahrungen zu sammeln und dann wiederzukommen, ist aus meiner Sicht immer eine gute Idee. Es hat lange gedauert, bis ich zurückkehren konnte: die Karrieren im Osten sind für 30 bis 40 Jahre vorgezeichnet gewesen: Durch die Besetzung 1990 bis 1995 fast aller Funktionen beziehungsweise Stellen mit jungen Menschen aus Westdeutschland, gab es quasi nur eine Alterskohorte, die erst jetzt in Rente beziehungsweise Pension geht.

Was hat dich motiviert, politisch aktiv zu werden?

Meine DDR-Erfahrungen. Ich bin seit fast 30 Jahren politisch aktiv. Ich habe ich während des Zweiten Golfkriegs begonnen, ganz klassisch auf Demos. Dann bin ich über eine juristische Facharbeitsgemeinschaft zur SPD gekommen und geblieben. Ich fand es wichtig, dass wir jungen Ostdeutschen uns einmischen. Ich lebte damals in Tübingen, da gab es noch nicht so viele Ostdeutsche. Das Bild des Ostens stammte aus dem Kalten Krieg, aus Erzählungen, sehr punktuellen Begegnungen. Da konnte ich dann schon etwas dagegensetzen. In der juristischen Fachwelt gab es heftige Debatten um die Gestaltung der Einheit und der Mauerschützen-Prozesse. Es war wichtig, mich und meine ostdeutsche Sicht einzubringen.

Wie überzeugst du junge Menschen, in Ostdeutschland zu bleiben und vor Ort die Zukunft zu gestalten?

Hier gibt es viele Möglichkeiten, eigene Ideen umzusetzen; hier gibt es gute Lebensbedingungen und Platz, hier gibt es auch noch „den Hunger“ nach Entwicklung, nach Gestalten. Hier gibt es zudem Menschen, die einen unterstützen, die Potential fördern.

  • 1970

    Rostock

  • Potsdam

  • Tübingen

  • Brüssel

  • Köln

  • Mannheim

  • Nürnberg

  • 2021

    Schwerin

Fühlst du dich Ostdeutsch?

Ich bin hier aufgewachsen. Ich fühle mich auch sehr als Norddeutsche. Beides ist eine sehr gute Verbindung!

Weshalb gibt es noch immer weniger parteipolitisches Engagement in Ostdeutschland und wie möchtest du das ändern?

Das ist nicht nur in Ostdeutschland so. Wir sehen es ganz überall: die Vorstellung, sich dauerhaft an etwas zu binden (egal ob Verein, Partei, Menschen), nimmt ab. Woran das liegt? Vielleicht ist unsere Gesellschaft „zu satt“ und findet „unverbindlich“ gut. Ich sehe das anders: Eine klare Haltung ist wie ein Kompass, der – jedenfalls mich – durchs Leben leitet. Beliebigkeit korrespondiert mit dem Konsumverhalten. Selber machen ist anstrengend, zudem muss man (bei eigener Haltung) konsequent sein – auch das ist anstrengend. Was ich ändern würde: Ich stelle mein eigenes Verhalten dagegen, werbe für das Sich-Einbringen. Nur wer mitmacht, kann verändern. Und: Gestalten macht ja auch viel Spaß.

Was machst du, damit Ostdeutsche bessere Chancen haben?

Drei Punkte sind meiner Meinung nach wichtig. Erstens gezielt in Personalangelegenheiten auf die Herkunft, Diversität und die Motivation achten. Zweitens gezielt und frühzeitig Coaching, Mentoring und Unterstützung für unsere Ostdeutschen anbieten – so bin ich selbst seit vielen Jahren Mentorin.  Drittens gezielt auf Ungleichheiten, die aus Herkunft herrühren, aufmerksam machen und Fragen stellen: Warum ist das so? Wäre es nicht klug, ostdeutsche Transformationserfahrungen zu nutzen? Am Ende bedeutet es aber auch, unsere Potentiale überhaupt zu finden, sie sichtbar zu machen und ins Gespräch zu bringen!

Was wünscht du dir für Ostdeutschland?

Noch mehr Offenheit für Innovation, neue Ideen – auf allen Ebenen und in allen Bevölkerungsgruppen, auch bei den Entscheider*innen. Und das eigene Profil (noch) stärker herausstellen: wo liegen denn unsere Stärken, was können wir gut? In welchen Themen steckt Zukunft und wie können wir diese Zukunft zu uns in den Osten holen?