Anica Happich
Anica Happich ist Kulturmanagerin / Schauspielerin/ Kulturpolitische Akteurin und 1989 in Geburtsort: Magdeburg geboren und in Klein-Oschersleben (Börde) aufgewachsen.
Status: Anica wohnt aktuell in Erfurt.
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Weshalb bist du zurückgekehrt?
Gegangen bin ich, um mir weitere Bildungschancen im Ausland zu eröffnen. Ich habe in den USA meinen high school Abschluss absolviert. In Bolivien habe ich mit Straßenkindern Theater gemacht. Von 2012 bis 2016 habe ich an der Hochschule für Musik und Darstellende Kunst Frankfurt am Main Schauspiel studiert und bis 2020 als Bühnenschauspielerin in Frankfurt am Main, Karlsruhe, Bielefeld und Basel gearbeitet. Zurückgekehrt bin ich, um aufgegebene Kulturorte in Ostdeutschland, wie das ehemalige Schauspielhaus in Erfurt (heute KulturQuartier Schauspielhaus), mit vielen anderen Engagierten wieder zu Kulturzentren zu gestalten und meine Heimat nicht populistischen Meinungsmachern zu überlassen.
Wie gestaltest du die Zukunft?
Ich bin geschäftsführende künstlerische Leiterin des PHOENIX Theaterfestivals, das in seiner Ausgabe 2024 als PLATTENSTUFEN-FESTSPIELE im ehemaligen DDR – Neubaugebiet Erfurt Rieth über 2.300 Menschen erreichte. Ich verorte meine Arbeit und Verantwortung an der Schnittstelle von Gesellschaft, Transformation und erodierender freiheitlich-demokratischer Verlässlichkeit. Meine Ziele richten sich nach den Menschen vor Ort aus und fokussieren demokratischen, interkulturellen, -generationalen Dialog, Selbstermächtigung mit Mitteln der Kunst, soziale Interaktion durch Begegnung, positive Begleitung sozialen Wandels. 2024 erhielten ich dafür den Zukunftspreis KULTUR GESTALTEN der KUPOGE.
Glaubst du, deine Wende-Erfahrung bzw. die Wende-Erfahrung deiner Familie hat dich auch für den Digitalen Wandel gewappnet?
Fühlst du dich Ostdeutsch?
Ich bin 1989 geboren und damit Teil der Nachwendegeneration. Die Umbruchserfahrungen, die Abwertung der Lebenserfahrung und Biografie meiner Eltern und Großeltern, die Unsicherheitsgefühle dieser Generationen: All das hat meine Kindheit geprägt und meinen Blick auf die junge deutsch-deutsche Geschichte und Transformationsgesellschaften auf der ganzen Welt. Das Gefühl in zwei Welten zu leben, zwei „Sprachen“ zu sprechen und zwischen den „Stühlen“ zu sitzen kann ich mittlerweile mit Daten, Zahlen, Fakten unterlegen. Reden wir also über Erbe, über Spitzenpositionen und Eigentum. An diesen messbaren Faktoren merke ich deutlich: Ich bin Ostdeutsche und Arbeiterkind.
Wie beeinflusst dich deine ostdeutsche Herkunft?
Meiner Wahrnehmung nach haben ostdeutsche Nachwendekinder die Zukunftsskills, die wir in den anstehenden gesellschaftlichen, kulturellen und wirtschaftlichen Veränderungsprozessen brauchen werden. Sie sprechen die Sprache ihrer Eltern und Großeltern und die Sprache von westdeutsch sozialisierten Menschen. Sie nehmen damit eine Botschafterinnenfunktion ein zwischen Ost, West, Nord und Süd. Sie können die Scherben aus den 90er Jahren nicht wieder kitten aber neu zusammensetzen und Verbindungslinien aufzeigen. Mit diesem Selbstbewusstsein gestalte ich gesellschaftspolitische Fragen mit.
Was wünscht du dir für Ostdeutschland?
Ich wünsche mir für Ostdeutschland, dass wir die Vielfalt und lokalen Unterschiede weiterhin zelebrieren. Ich wünsche mir, dass die monothematische Erzählung über „den Osten“ weiterhin medial und gesellschaftspolitisch aufgebrochen wird. Ich wünsche mir, dass die Transformationsmüdigkeit überwunden wird und die Transformationskompetenz als Zukunftsenergie im Selbstverständnis vieler ostdeutscher Menschen ankommt. Wir mit Mut und Lust, Hoffnung und Heiterkeit auf das Kommende blicken. Ich wünsche mir Sanftmut und Offenheit, Startups, wirtschaftliche Investitionen, mehr Stiftungsvermögen und das wir alle – egal ob in West, Nord, Süd oder Ost – einander zuhören.