Wir sind der

Osten

Alexander Graeff

Alexander Graeff ist 1976 in Bad Kreuznach geboren und hat sich später für Ostdeutschland entschieden.

Rübergemacht: Alexander ist Schriftsteller & Philosoph und wohnt aktuell in (Ost-)Berlin und Greifswald.

Foto: Ute J. Krienke

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Weshalb hast du in den Osten rübergemacht?

Der Hauptgrund war ein Fluchtreflex, der aufgrund der Enge meines Aufwachsens in der westdeutschen Provinz entstanden ist und dem ich mit einem Umweg über Karlsruhe schließlich gefolgt bin. Ostdeutschland wirkte viel weiter und offener auf mich als meine Heimat – damals nicht nur Berlin, auch Leipzig, Erfurt, Dresden. Ostberlin versprach Unabhängigkeit und Freiheit.

Wie gestaltest du die Zukunft?

Ich arbeite als Dozent im interreligiösen und -kulturellen Dialog und bin Leiter des Programmbereichs Literatur im Kunst- und Kulturzentrum »Brotfabrik« in Berlin-Weißensee sowie Initiator der Lesereihen »Literatur in Weißensee« und »Schreiben gegen die Norm(en)?«. In der Queer Media Society engagiere ich mich für mehr Sichtbarkeit queerer Personen und Geschichten im deutschsprachigen Literaturbetrieb.

  • 1976

    Bad Kreuznach

  • Karlsruhe

  • 2020

    Ostberlin und Greifswald

Glaubst du, Menschen in Ostdeutschland können besser mit Veränderungen bzw. Wandel umgehen?

3 von 5
Stimme gar nicht zu
Stimme voll und ganz zu

Fühlst du dich ostdeutsch?

Ich sehe es nicht als Identität, weil ich das Konstrukt ‚Identität‘ fragwürdig finde, aber ich fühle mich in Ostdeutschland wohl. Ich lebe gern hier (was nicht bedeutet, dass ich mich an anderen Orten nicht auch wohl fühlen kann).

Welche Erfahrungen hast du in Ostdeutschland gemacht?

Ich könnte mir nicht vorstellen, wieder in Westdeutschland zu leben. Vieles hat sich natürlich nach 19 Jahren relativiert bzgl. meines ersten Eindruckes – auch Regionen in Ostdeutschland können sehr eng sein –, und dennoch fühle ich mich in der Mentalität und der Diversität Berlins und Greifswalds wohl. Mein Weggang aus Westdeutschland wurde mir damals als Feigheit und Arroganz ausgelegt. Dass man ‚freiweillig‘ nach Ostberlin geht, galt in meinem damaligen Umfeld als das Absurdeste, was man machen konnte.

Glaubst du, Westdeutsche hatten nach der Wiedervereinigung im Osten Vorteile?

Manche zeigten schon eine gewisse kolonialistische Haltung in Bezug auf Investitionen in Ostdeutschland. Natürlich gab es keinen ‚großen Plan‘, es gab aber durchaus Tendenzen der Assimilation von westlicher Seite.

Was hast du in Ostdeutschland gelernt?

Ich habe 2003 noch mal ein Studium an der Humboldt Universität begonnen, u.a. Geschichtswissenschaften, weshalb ich viel gelernt habe über die Geschichte Ostdeutschlands. In der westdeutschen Schule gab es dazu überhaupt nichts. Folglich wusste ich anfangs kaum etwas über dieses Land.

Was wünscht du dir für Ostdeutschland?

Weniger Nationalismus, weniger Verschwörungsmentalität, mehr Partizipation an einer offenen Gesellschaft, mehr gelebten Pluralismus.