Wir sind der

Osten

Alexander Schnarr

Alexander Schnarr ist Autor, Blogger und Podcaster und 1980 in Magdeburg geboren und aufgewachsen.

Gegangene: Alexander wohnt heute in Gießen.

Foto: privat

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Weshalb bist du gegangen?

Ich bin gewissermaßen dem Brotjob hinterhergereist. In Gießen gab es eine unbefristete Stelle, die ich so nirgendwo im Osten bekommen hätte. So landete ich dann an meinem jetzigen Wohnort, an den es mich ohne den Job mit ziemlicher Sicherheit nicht verschlagen hätte.

Wie gestaltest du die Zukunft?

Ich darf mit meiner Leidenschaft für den Fußball im Allgemeinen und für den 1. FC Magdeburg im Speziellen einen Teil meines Lebensunterhalts bestreiten. Fußball geht ja deutlich über den rein sportlichen Aspekt hinaus und ist längst ein gesellschaftliches Ereignis. Wo sonst kommen heute noch regelmäßig viele Menschen mit ganz unterschiedlichen Hintergründen für eine gemeinsame Sache zusammen? Weil das so ist, hält der Fußball jede Menge spannender Geschichten bereit, und zwar jenseits der Ergebnisberichte oder des Boulevard-Gossips. Diese Geschichten, die immer auch etwas über unsere Gesellschaft erzählen, wollen gefunden und aufgeschrieben werden. Ich versuche, meinen Teil dazu beizutragen.

  • 1980

    Magdeburg

  • Heute

    Gießen

Glaubst du, deine Wende-Erfahrung bzw. die Wende-Erfahrung deiner Familie hat dich auch für den Digitalen Wandel gewappnet?

2 von 5
Stimme gar nicht zu
Stimme voll und ganz zu

Fühlst du dich Ostdeutsch?

Die einfache Antwort ist: Ich fühle mich ostdeutsch, weil Magdeburg meine Heimat ist, mit der ich mehr verbinde als nur den Ort, an dem ich auf die Welt kam. Auch wenn ich derzeit in Hessen lebe, gibt es das ganz starke Gefühl: ‚Da komme ich her, da gehöre ich hin, dort sind meine Leute.‘ Kurios ist, dass es erst eines Studiums im Südwesten und eines längeren Auslandsaufenthaltes bedurfte, um dieses Gefühl von Heimat und Zugehörigkeit zu entwickeln. Vielleicht versteht man erst mit etwas Abstand wirklich, wo die eigenen Wurzeln liegen. Und dann ist es ja so: In Hessen fühle ich mich ostdeutsch, im Osten als Magdeburger. ‚Der Osten‘ ist mir mitunter zu pauschal.

Wie beeinflusst dich deine ostdeutsche Herkunft?

Ich glaube, dass Leute meiner Generation, die in der DDR geboren wurden, die Wiedervereinigung bewusst miterlebt haben und dann im vereinten Deutschland erwachsen geworden sind, so etwas wie ‚Weltenwandler‘ sind. Ich komme in den alten Bundesländern gut zurecht, trotzdem gibt es da immer auch eine automatische Verbundenheit mit Menschen, die eben aus den neuen Bundesländern stammen. Ein Beispiel: Ich habe in Mannheim studiert und hatte eine gute Zeit. Diejenigen von damals, mit denen ich heute noch Kontakt habe und befreundet bin, sind aber ausschließlich Ost-Kinder wie ich. Da gibt es schon so ein gewisses ‚Wir-Gefühl‘, was, meine ich, auch an diesem Aufwachsen in zwei Welten liegt.

Was wünschst du dir für Ostdeutschland?

Ich wünsche mir, dass der Osten Deutschlands nicht nur auf seine strukturellen und gesellschaftlichen Probleme reduziert wird (die gibt es andernorts auch), sondern dass es gelingt, das Schöne, Ehrliche, Herzliche, Aufregende, Spannende noch viel stärker in den Vordergrund zu rücken. Ich wünsche mir eine größere Aufgeschlossenheit gegenüber den vielen ostdeutschen Regionen, die immer einen Besuch wert sind. Fahrt da hin, redet mit den Menschen und tauscht Euch aus – denn nur, wenn man miteinander spricht, kann man sich auch wirklich kennenlernen. Das gilt selbstverständlich auch umgekehrt: Wenn ich Offenheit und Differenzierung erwarte, muss ich die natürlich auch selbst an den Tag legen.