Angelika Janz
Angelika Jenz ist Autorin und Künstlerin, 1952 in Düsseldorf geboren und später nach Ostdeutschland gezogen.
Rübergemacht: Angelika wohnt aktuell in Ferdinandshof.
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Weshalb hast du in den Osten rübergemacht?
Meine Oma lebte hier, ich war schon vor der Wende häufiger hier. Der Westen wurde meinem Mann und mir zu kalt. Mein Mann, der Bildhauer war, und ich, wir wollten hier etwas Neues beginnen und: Wir wollten lernen.
Wie gestaltest du die Zukunft?
Ich arbeite seit 30 Jahren, also seit ich hierher übersiedelte, ehrenamtlich mit Kindern und generationsübergreifend: Meine Frauen-Kulturgruppe in Torgelow mit 14 treuen Frauen existiert seit elf Jahren. Die KinderAkademie im ländlichen Raum bereits seit 15 Jahren. Sie vermittelt Wissen über Natur und Umwelt, Literatur und Kunst, sie übt Gewaltprävention, organisiert überwiegend ehrenamtlich Kreativwerkstätten (Kunst, Hörspiel, Schreiben) und bringt Jung und Alt zusammen. Ich arbeite schwerpunktmäßig auch seit vielen Jahren mit behinderten Kindern.
Glaubst du, Menschen in Ostdeutschland können besser mit Veränderungen bzw. Wandel umgehen?
Fühlst du dich ostdeutsch?
Natürlich, wenn man hier seine Wurzeln hat und 30 Jahre hier lebt, an der Geschichte der Region beteiligt ist, und sich selbst etwas aufgebaut hat.
Welche Erfahrungen hast du in Ostdeutschland gemacht?
Meine Familie hat es akzeptiert. Ein Bruder reiste sogar nach. Ich wurde nie als Wessi betitelt. Es gab stets gute Erfahrungen mit den Menschen hier, weniger aber mit anderen Zugereisten aus den alten Bundesländern, die hier eine schäbige Karriere zu machen versuchten.
Ich habe vor allem die DDR gelernt, ging gleich arbeiten und habe 30 Jugendclubs aufgebaut. 2000 habe ich das Deutsch-Polnische Festival „Zbliżenia-Annäherung“ ins Leben gerufen und bis 2003 die Festivals „TanzTendenzen“ und „Nordischer Klang“ in Greifswald organisiert. Parallel viele Kunstwerkstätten für Jung und Alt. Und es entstanden Erzählungen wie „Die Implodierten“ und „Barackenleben“ genau zu diesem Thema.
Glaubst du, Westdeutsche hatten nach der Wiedervereinigung im Osten Vorteile?
Die Westdeutschen haben sie sich zum Teil rücksichtslos genommen. Sie wussten bereits, wie man andere Menschen übervorteilen konnte. Ich habe es, als Ossi getarnt, oft genug selbst erleben müssen. Die meisten gebärdeten sich selbstgerecht und selbstgefällig.
Was hast du in Ostdeutschland gelernt?
Mit Menschen gut auszukommen, das Geben und Nehmen im sinnvollen Ausgleich. Ich lebe vor Ort im ländlichen Raum, besser kann man nicht die Menschen hier verstehen und mögen lernen. Und ich bin stolz darauf, eine Zeugin der ersten Jahre gewesen zu sein. Als Westdeutsche die Anfänge der Wiedervereinigung im anderen Teil Deutschlands zu erleben, ist ein Geschenk, egal, wie es sich letztendlich auf die Menschen hier ausgewirkt hat. Ich fühlte mich nicht als Besserwessi, sondern ich lernte. Bis heute. Die BRD hat die neuen Bundesländer okkupiert. Die Menschen sind noch heute wendekrank, ebenso manche ihrer Kinder. Die Menschen fühlten sich in ihrer Geschichte missachtet, entwertet.
Was wünschst du dir für Ostdeutschland?
Dass die ostdeutschen MitbürgerInnen in allen Rechten und Möglichkeiten, ideell und finanziell, gleichgestellt werden. Dass sie ihre Identität bewahren und hier und da wieder entfalten können. Zusammengefasst wie der Titel eines meiner Bücher: „Dass es vorwärts gehen kann: Mit Rückspiegel.“