Anja Mayer

Anja Mayer ist Arzthelferin sowie Landesvorsitzende (Die Linke) in Brandenburg und 1979 in Feuchtwangen geboren und Rothenburg ob der Tauber aufgewachsen.

Rübergemacht: Anja wohnt aktuell in Potsdam.

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Weshalb bist du rübergemacht?

Als sich nach einiger Zeit die Möglichkeit ergab, nach Brandenburg zu gehen, habe ich mich nicht nur gefreut, sondern bin nach einer kurzen Zeit des Pendelns auch direkt dorthin gezogen. Brandenburg, das war für mich wirklich „im Osten leben“. Ich genieße es nach wie vor, hier zu leben, Unterschiede und vor allem Gemeinsamkeiten zu finden und zu entdecken und die wunderschönen Landstraßen entlangzufahren – das ist pures Augenglück und hier bin ich zu Hause.

Was hat dich motiviert, politisch aktiv zu werden?

Ehrlich gesagt: Horst Köhler. Als es 2005 zur Vertrauensfrage durch Kanzler Schröder und in der Folge zu vorzeitigen Neuwahlen kam, hielt Bundespräsident Köhler vor der Tagesschau eine Rede. Darin sagte er, dass jetzt alle ihrer Bürgerpflicht nachkommen und zur Wahl gehen sollen. Ich war vorher noch nie wählen, fand aber, dass er recht hat. Ich ließ die Tagesschau ausfallen, lass statt dessen Parteiprogramme, überlegte noch ein bisschen und schickte schließlich meinen Mitgliedsantrag an die WASG (eine der beiden Vorläuferparteien der LINKEN) ab.

Wie überzeugst du junge Menschen, in Ostdeutschland zu bleiben und vor Ort die Zukunft zu gestalten?

Aus meiner Sicht überzeugt man jemanden am ehesten, durch eigenes erleben. Wenn sich junge Menschen vor Ort einbringen können, gut bezahlte, spannende Arbeitsplätze finden, sich Arbeit und Leben gut in Balance bringen lassen sowie Familie und Beruf entsteht eine Bleibeperspektive. Insbesondere in den ländlichen Räumen im Osten passiert gerade viel Gutes und Spannendes. Damit möchte ich allerdings nicht darüber hinweg täuschen, dass noch viel passieren muss: ein guter öffentlicher Personennahverkehr, flächendeckende gesundheitliche Versorgung, wohnortnahe Kitas und Grundschulen und kulturelle Angebote in den ländlichen Räumen im Osten!

  • 1979

    Feuchtwangen

  • Rotheburg ob der Tauber

  • München

  • Berlin

  • 2021

    Potsdam

Fühlst du dich Ostdeutsch?

Ich bin selbst überrascht, wie ich insbesondere in den Jahren in Brandenburg, begonnen habe ostdeutsch zu fühlen und zu denken. Insbesondere bei politischen Diskussionen erfahre ich immer wieder, wie ostdeutsche Biographien ent- oder abgewertet werden – und das regt mich auf. Es ist außerdem längst überfällig, ostdeutsche Erfahrungen gewinnend zu nutzen wie langes gemeinsames Lernen, Polikliniken, Gemeindeschwestern oder ein Gesundheitssystem in öffentlicher Hand. Hoffnungsvoll stimmt mich aber, dass aktuell bei den genannten Beispielen in meiner Wahrnehmung die Debatte breiter geworden ist.

Weshalb gibt es noch immer weniger parteipolitisches Engagement in Ostdeutschland und wie möchtest du das ändern?

In vielen Gesprächen wird mir signalisiert, dass die schwierigen Wendejahre mit sozialen Verwerfungen in vielen Familien zur tiefen Enttäuschung über politische Entscheidungen geführt haben, erst Recht nach den vollmundigen Versprechungen blühender Landschaften. Auch Hartz IV, Armutsrenten und schlecht bezahlte Arbeit führen dazu, dass sich Menschen abgehängt fühlen. Gleichzeitig wird deutlich, dass die Schere zwischen arm und reich immer weiter auseinander geht. Notwendig ist deshalb die Überwindung der immer tieferen sozialen Spaltung der Gesellschaft, ein respektvoller Umgang mit ostdeutschen Biographien und echte demokratische Teilhabe auf allen Ebenen, auch in den Kommunen.

Was machst du, damit Ostdeutsche bessere Chancen haben?

Dafür streiten, dass es nach 32 Jahren Wende endlich zu Lohn- und Rentenangleichungen kommt. Insbesondere, wenn es um die Renten in der DDR geschiedenen Frauen geht, kann ich die Ungleichbehandlung nicht nachvollziehen. Gemeinsam müssen wir dafür streiten, dass der Osten nicht in Alters- und Familienarmut versinkt. Und eigentlich ist es absurd, aber wir müssen immer noch darum kämpfen, dass in Führungspositionen in Verwaltungen, Unternehmen und Hochschulen Menschen mit einem ostdeutschen Erfahrungshorizont nicht mehr die Ausnahme sind, sondern eine Selbstverständlichkeit.

Was wünscht du dir für Ostdeutschland?

Ich wünsche mir, dass Lebensleistungen endlich anerkannt werden und dass gebrochene (Erwerbs-)Biographien keine Nachteile mehr bringen. Dass das Agieren der Treuhand lückenlos aufgeklärt wird und dass man aus den Transformationserfahrungen Lehren zieht. Und dass auch außerhalb des Ostens gesehen wird, dass Menschen gerne hier leben, lieben und arbeiten.