Anna Cavazzini

Anna Cavazzini ist Mitglied des Europäischen Parlaments (B’90/Grüne) und 1982 in Schlüchtern (Hessen) geboren.

Rübergemacht: Anna wohnt aktuell in Berlin und Brüssel.

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Weshalb bist du rübergemacht?

Ich bin für mein Studium sehr bewusst nach Chemnitz gegangen, um Ostdeutschland besser kennen und verstehen zu lernen. Danach folgten viele weitere Stationen und als ich mich entschied, für das Europaparlament zu kandidieren, war klar, dass ich das für den sächsischen Landesverband der Grünen Europapolitik machen will. Ein Teil meiner Familie kommt aus Brandenburg und dadurch war seit Kindesalter die damalige DDR und später Ostdeutschland extrem präsent für mich. Das trug zu meiner Entscheidung bei, nach meinem Auslandsjahr in Mexiko in Chemnitz zu studieren. Außerdem interessierte mich die Nähe zu Tschechien, die EU-Osterweiterung stand damals kurz bevor!

Was hat dich motiviert, politisch aktiv zu werden?

Der Klimawandel hat mich schon als sehr junger Mensch beschäftigt – und ehrlich gesagt, extrem beunruhigt. Die fortschreitende Zerstörung unserer Lebensgrundlagen, sei es der brasilianische Amazonas oder der sächsische Wald, die Vermüllung der Ozeane… bei all dem konnte ich nicht tatenlos zusehen. So trat ich 2002 zu Beginn meines Studiums in die Chemnitzer Grüne Jugend ein, die sich damals im Aufbau befand. Hier traten schnell weitere politische Themen in den Vordergrund wie der Kampf gegen Rechts.

Wie überzeugst du junge Menschen, in Ostdeutschland zu bleiben und vor Ort die Zukunft zu gestalten?

Zukunftsfähige Jobs, lebenswerte Städte und Kommunen, flächendeckender ÖPNV, für alle diese Dinge machen wir Grüne uns stark. Die ostdeutschen Bundesländer haben unglaublich viel Potenzial, man denke zum Beispiel an die Kreativwirtschaft. Wir brauchen junge Menschen, die dieses Potenzial weiter ausbauen und den Raum nutzen, den viele ostdeutsche Bundesländer bieten.

  • 1989

    Schlüchtern (Hessen)

  • Mexiko

  • Chemnitz

  • Prag

  • New York

  • 2021

    Berlin und Brüssel

Fühlst du dich Ostdeutsch?

Ich bin nicht in Ostdeutschland geboren und da wäre es vielleicht etwas anmaßend zu sagen, ich fühle mich ostdeutsch. Allerdings glaube ich schon, dass es einen Unterschied gibt, in einem ostdeutschen Bundesland Politik zu machen, weil manche Rahmenbedingungen anders sind, weil sich manche Diskurse unterscheiden, weil wir Grüne immer noch weniger stark sind und unsere Ideen noch nicht im „mainstream“ angekommen sind.

Weshalb gibt es noch immer weniger parteipolitisches Engagement in Ostdeutschland und wie möchtest du das ändern?

Der Wandel der Generationen findet gerade statt. Die Grünen haben einen unglaublichen Mitgliederzuwachs hingelegt – gerade im Osten. Trotzdem gibt es eine Skepsis gegenüber Parteien, vermutlich auch aus der Geschichte heraus begründet. Parteien brauchen eine Verwurzelung in der Vielfalt der Gesellschaft, im ehrenamtlichen Engagement, in dem Wunsch, sich gesellschaftlich einzubringen. Durch meine Arbeit zeige ich, dass es sich lohnt, dass Einzelne was verändern können, dass es nicht „die Politik“ gibt, sondern wir alle eine Verantwortung bei der Gestaltung unserer Gesellschaft haben. Als Partei versuchen wir Grüne offen zu sein, neuen Mitgliedern und jungen Menschen Mitspracherecht zu geben.

Was machst du, damit Ostdeutsche bessere Chancen haben?

Es gibt immer noch ökonomische Ungleichheiten und Probleme der Repräsentanz, welche wir dringend angehen müssen. Es gibt immer noch zu viel Unwissen und zu wenig Interesse in Westdeutschland für die ostdeutsche Geschichte. In den letzten 30 Jahren wurde allerdings immens viel erreicht. Mich beeindruckt immer wieder, wie viele Menschen manchmal schmerzhafte Transformation, Arbeitsplatzverlust und vieles mehr gemeistert haben. Und mich beeindruckt, wie viel Neues entstanden ist, wie viel Eigeninitiative und Kreativität es in Ostdeutschland gibt.

Was wünscht du dir für Ostdeutschland?

Ich wünsche mir, dass wir die Geschichte und die Erfahrungen Einzelner anerkennen, würdigen und sichtbarer machen – aber insgesamt nach vorne schauen! Ich wünsche mir, dass eine starke Zivilgesellschaft und die weltoffene Gesellschaft stärker als Chance wahrgenommen werden. Ich wünsche mir ehrlicherweise, dass die Kategorie “Ostdeutschland” endlich eine positive Konnotation erlangt. Projekte und Initiativen wie „Wir sind der Osten“ oder „Der Andere Osten“ zeigen so viele spannende Erfahrungen und Menschen hier. Ich wünsche mir, dass das gesehen wird.