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Osten

Axel Grafmanns

Axel Grafmanns ist Geschäftsführer der Tibet Initiative Deutschland e.V. und 1973 in Oberlungwitz geboren und aufgewachsen.

Gegangen: Axel wohnt aktuell in Berlin und Brandenburg.

Foto: privat

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Weshalb bist du gegangen?

Mit dem politischen Umbruch ’89 hat sich für mich eine bunte Welt geöffnet. Für mich war das eine Chance! Ich wollte anderes sehen und erleben. Beruflich habe ich mich mehrmals neu erfunden: vom Elektroniker über den Projektleiter bei zwei Fernsehsendern – bis hin zur freiberuflichen Tätigkeit als Mediator und Trainer. Das gipfelte später in der Geschäftsführerposition für zwei unterschiedliche NGOs im Menschenrechtsbereich. Meine Neugierde hat mich geografisch nach Leipzig und Berlin, und quer durch die ganze Welt getrieben. Längere Aufenthalte in den USA, Südamerika, Australien, Asien und Afrika beeinflussten mich. Die gravierende Armut im globalen Süden politisierte mich dabei.

Wie gestaltest du die Zukunft?

Meine Aufgabe ist es, auf die katastrophale Menschenrechtssituation in Tibet aufmerksam zu machen und sie zu verändern. Das ist auch die Verbindung zu meiner vorhergehenden Tätigkeit als Geschäftsführer von Sea-Watch. Im Mittelmeer erlebte ich viel Elend und war damit beruflich auf mehreren Ebenen konfrontiert. In Tibet zündeten sich in den letzten Jahren über 150 Menschen selbst an, Menschen werden gefoltert. Was die beiden sehr unterschiedlichen Regionen – das Mittelmeer und Tibet – eint, ist die Verzweiflung der Menschen. Ehrenamtlich engagiere ich mich bei „Wir packen’s an“ – wir schicken Trucks mit warmer Kleidung in griechische Flüchtlingslager und sind überwältigt vom Support in Brandenburg.

  • 1973

    Oberlungwitz

  • Leipzig

  • Portland, Oregon

  • Indien

  • Singapur

  • Australien

  • Neuseeland

  • Südamerika

  • Australien

  • 2020

    Berlin und Brandenburg

Glaubst du, deine Wende-Erfahrung bzw. die Wende-Erfahrung deiner Familie hat dich auch für den Digitalen Wandel gewappnet?

2 von 5
Stimme gar nicht zu
Stimme voll und ganz zu

Fühlst du dich Ostdeutsch?

Weil das meine Prägung und Kultur ist. Ich habe in meiner Kindheit und Jugend ein sehr autoritäres Bildungssystem erlebt und auch die Angst durch Überwachung und Repression realisiert. Ich merkte ebenso, dass es schon möglich ist, in einer Diktatur zu lachen, zu lieben und zu leben. Ich weiß, dass die DDR auch einige positive Seiten hatte, wo es sich gelohnt hätte, diese Aspekte zu erhalten oder wenigstens gesamtdeutsch zu diskutieren. Später stellte ich fest, dass das westdeutsche System leider auch keine Alternative ist, weil es Reichtum sehr ungleich verteilt und immer auf Kosten anderer und/oder der Umwelt funktioniert. Und ich kenne die Hoffnung von 1989: Eine andere Welt ist möglich!

Wie beeinflusst dich deine ostdeutsche Herkunft?

Ich bin in einem komplett anderen, autoritären Land geboren und konnte daran mitwirken, dass eine mir sehr unsinnig erscheinende Gesellschaftsform zusammenbricht. Nichts ist für die Ewigkeit, auch wenn Strukturen noch so starr sind. Obwohl ich nicht aus „reichen Verhältnissen“ und auch nicht aus dem sogenannten „Bildungsbürgertum“ entstamme, habe ich zwei sehr gute Studienabschlüsse, konnte die Welt bereisen und war/bin mit interessanten Jobs und Aufgaben betraut. Du brauchst einen Traum – dann ist alles möglich!

Was wünscht du dir für Ostdeutschland?

Ich wünsche mir, dass sich Ostdeutschland emanzipiert – auch vom Rechtsradikalismus in manchen Gegenden. Ich wünsche mir vor allem, dass Ostdeutschland seine Opferrolle verlässt. Und ich wünsche mir einen transkulturellen Dialog zwischen Menschen unterschiedlicher Herkunft und mit verschiedenen Lebensideen und Erfahrungen. Das haben wir seit 1989 vernachlässigt. Ostdeutschland, Deutschland, Europa und die Welt sind nicht homogen, zum Glück! Last but not least wünsche ich mir, dass die strukturelle Benachteiligung von Ostdeutschen auf vielen Ebenen gesamtgesellschaftlich beendet wird. Wir Ostdeutsche haben nämlich was zu sagen und einzubringen!