Wir sind der

Osten

Bodo Rodestock

Bodo Rodestock ist Vorstand Finanzen/Personal VNG AG und 1968 in Frauenstein (Erzgebirge) geboren und aufgewachsen, hat später in Frankfurt am Main und Dessau gelebt.

Zurückgekehrt: Bodo wohnt heute in Zwenkau bei Leipzig.

Foto: Jeibmann Photographik

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Weshalb bist du zurückgekehrt?

Die Wiedervereinigung empfand ich für mich persönlich als einen unbeschreiblichen Glücksumstand und zugleich Befreiungsschlag. In der DDR hatte ich bei der Berufswahl aufgrund meiner politischen Einstellung viele Kompromisse eingehen müssen. Mit dem Mauerfall fielen diese Leiplanken und ich habe die sich bietenden Chancen und Möglichkeiten von der ersten Stunde an genutzt. Nachdem ich zunächst eine Ausbildung zum Bankkaufmann in Frankfurt/Main absolviert hatte, um das neue Wirtschaftssystem von der Pike auf kennenzulernen, kehrte ich 1994 in den Osten, zunächst nach Dessau und später nach Leipzig, zurück. Einerseits aus beruflichen Gründen, andererseits weil mein Herz für die Region brennt. Derzeit kann ich meine beruflichen Ziele in meinem Heimatbundesland Sachsen bei der VNG sehr gut verwirklichen.

Wie gestaltest du die Zukunft?

Die VNG AG mit seinen über 1.200 Mitarbeitern an verschiedenen Standorten in Mitteldeutschland generiert eine immense Wertschöpfung in der gesamten Region. Allein im Jahr 2019 werden wir am Ende Investitionen im Wert von rund 400 Millionen Euro getätigt haben, wovon in erster Linie das hiesige Umfeld profitiert. Unserer großen gesellschaftlichen Verantwortung kommen wir einerseits unternehmerisch nach, beispielsweise indem wir uns mit unserer Strategie „VNG 2030+“ den Herausforderungen der Energiewende stellen. Andererseits unterstützen wir zahlreiche gesellschaftliche Organisationen und Projekte in der Region. Somit gestalte ich diese Geschicke qua Funktion im Unternehmen, zudem bringe ich mich als Mitglied in unterschiedlichen regionalen Gremien und Institutionen auch persönlich intensiv in gesellschaftliche Themen ein.

  • 1968

    Frauenstein

  • Frankfurt am Main

  • Dessau

  • 2019

    Zwenkau

Glaubst du, deine Wende-Erfahrung bzw. die Wende-Erfahrung deiner Familie hat dich auch für den Digitalen Wandel gewappnet?

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Fühlst du dich Ostdeutsch?

Ich fühle mich als gesamtdeutscher Europäer mit sächsischen Wurzeln. In meinen Augen ist eine Unterteilung in ost- bzw. westdeutsch nicht mehr zeitgemäß. Das zeigen mir nicht zuletzt meine drei Kinder, die mit diesen Begrifflichkeiten nicht viel anfangen können. Ich habe die deutsche Wiedervereinigung stets als eine Einheit aus Vielfalt verstanden. Unser Land ist geprägt von unterschiedlichen Kulturen. Das macht es auch so interessant, weswegen diese Vielfalt erhalten bleiben sollte. Ich bin mir jedoch dessen bewusst, dass nicht alle Menschen mit ostdeutschem Hintergrund solch ein Glück hatten und möglicherweise anderer Meinung sind. Noch heute gibt es deutliche Unterschiede in den Biographien. Umso wichtiger ist es, diese zu erkennen und gemeinsam die vorhandenen wirtschaftlichen Gräben zu schließen und die Mauern in den Köpfen abzubauen.

Wie beeinflusst dich deine ostdeutsche Herkunft?

Werte wie Freiheit, Demokratie und Rechtsstaatlichkeit sind für mich die tragenden Säulen unseres Landes. Ich bin stolz auf diejenigen Menschen im Osten Deutschlands, die vor 30 Jahren auf die Straße gegangen sind und für diese Werte gekämpft haben. Sie sind für mich die eigentlichen Helden, sie haben Mut bewiesen und haben dafür ihr Leben riskiert. Das hat mich stark beeindruckt und geprägt. Insoweit gilt es, diese Werte zu verteidigen und dafür einzustehen, sie niemals leichtfertig aufzugeben. Gleichzeitig war in dieser Zeit eine unglaubliche Aufbruchstimmung zu spüren – im Osten Deutschlands, aber auch in Westdeutschland. Dieses Gedankengut hat sich bei mir eingebrannt und hilft mir, wenn ich an künftige persönliche und gesellschaftliche Herausforderungen denke.

Was wünscht du dir für Ostdeutschland?

Generell wünsche ich mir für ganz Deutschland, dass wir die deutsche Wiedervereinigung noch sehr viel stärker als einzigartigen Glücksmoment unserer Geschichte verstehen und schätzen. Es gilt die positiven Errungenschaften 30 Jahre nach der Friedlichen Revolution für den Osten Deutschlands wieder stärker in unserem Bewusstsein zu verankern. Wenn uns das gelingt, werden wir auch mit Mut und Zuversicht die noch bestehenden strukturellen sowie teilweise mentalitätsbedingten Unterschiede und die daraus resultierenden Problemlagen im Osten meistern. Ziel muss sein, gegen ein derzeit teilweise negativ besetztes öffentliches Bild Ostdeutschland anzugehen, in dem allzu oft noch den „Jammerossi“ betont oder die Region gar auf undemokratisches Gedankengut reduziert wird. Der Osten kann und ist mehr als das!