Carolin Münch
Carolin Münch ist Sozialarbeiterin und 1990 in Borna geboren und aufgewachsen.
Geblieben: Carolin wohnt heute in Leipzig.
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Weshalb bist du geblieben?
Ich bin geblieben,weil mich die schlechten Erfahrungen mit rechtsradikalen Strukturen in meiner Jugend sehr geprägt haben und ich dadurch bis heute motiviert bin, meine Stimme und meinen Verstand aktiv gegen jede Form menschenverachtender Einstellungen einzusetzen. Zudem führt mir die tägliche Arbeit mit Geflüchteten immer wieder vor Augen, dass das gesellschaftliche Zusammenleben von Menschen mit und ohne Migrations- bzw. Fluchthintergrund gerade in ländlicheren Gegenden nachhaltig gefördert und verbessert werden muss. Um dies zu erreichen braucht es Menschen vor Ort, die sich dem Rechtsruck der Gesellschaft entgegenstellen und sich für eine offenere und solidarischere Gesellschaft engagieren.
Wie gestaltest du die Zukunft?
Unseren Verein Bon Courage e.V., für welchen ich mittlerweile hauptamtlich arbeite, habe ich im Jahr 2007 im Alter von 16 Jahren mitgegründet und bin seitdem dort aktiv. In Anbetracht der Hegemonie rechter Strukturen in und um Borna haben wir in den ersten Jahren hauptsächlich antifaschistische und politische Aufklärungs- und Bildungsarbeit gemacht. Mittlerweile hat sich der Arbeitsschwerpunkt aber erweitert und seit 2009 arbeiten wir vorwiegend im Themenfeld Flucht, Asyl und Migration. Das heißt, wir unterbreiten seither verschiedene Beratungs- und Projektangebote mit und für geflüchtete Menschen aus der Region.
Glaubst du, deine Wende-Erfahrung bzw. die Wende-Erfahrung deiner Familie hat dich auch für den Digitalen Wandel gewappnet?
Fühlst du dich Ostdeutsch?
Auch wenn ich hier geboren und aufgewachsen bin, kann ich mich weder in den gängigen Klischees und Vorurteilen gegenüber Ostdeutschen noch gegenüber Deutschen im Allgemeinen wiederfinden. Ich glaube, mein Dialekt und mein Wohnort ist das einzige, was mich „ostdeutsch“ macht. Da ich hier geboren, aufgewachsen und geblieben bin, habe ich allerdings auch keinen Vergleichswert dahingehend, wie das Leben in einer anderen Gegend wäre. Prinzipiell finde ich aber auch, dass Menschen ihre Identität nicht vorwiegend in ihrer Herkunft suchen sollten, denn die alleinige Beschränkung darauf ist oft erst der Nährboden für menschenverachtende und rassistische Haltungen.
Wie beeinflusst dich deine ostdeutsche Herkunft?
Da ich erst in der Wendezeit geboren bin, ist mir diese Zeit nur aus den Erzählungen meiner Familie bekannt und ich denke, dass diese ganz individuellen Einfluss auf die Menschen hatte. Ich persönlich wurde eher durch das scheinbare Erbe der Nachwendezeit geprägt, welches bis heute in Form von rechtsradikaler Hetze, Populismus und Rassismus in weiten Teilen von Ostdeutschland zum Ausdruck kommt. Jedoch sind es genau diese Erfahrungen, die nicht nur mich, sondern auch einen anderen großen Teil der Gesellschaft dahingehende geprägt und motiviert haben, sich aktiv gegen Rechtsextremismus zu engagieren und mit tollen Projekten das Zusammenleben der Menschen hier zu verbessern und zu verändern.
Was wünschst du dir für Ostdeutschland?
Um Probleme zu lösen, müssen diese erkannt und offen thematisiert werden. Seit meiner Jugend höre ich ständig, der Osten hätte kein Naziproblem. Hiesige Politiker_innen befürchten eine Imageschaden und reden das Problem oft klein. Die Vorkommnisse der letzten Jahre in Freital, Heidenau, Bautzen, Chemnitz und auch hier beweisen genau das Gegenteil. Fast täglich berichten mir Menschen von rassistischen Beleidigungen und Anfeindungen. Früher waren es die gestandenen Nazis und heute ist es die 70 jährige Oma, die ihren Unmut gegen Geflüchtete auf der Straße laut macht. Sollte diese Entwicklung weiter totgeschwiegen werden, sehe ich ein friedliches Zusammenleben, nicht nur hier in Ostdeutschland, in Gefahr.