Carolin Würfel
Carolin Würfel ist Journalistin und Autorin und 1986 in Leipzig geboren und aufgewachsen.
Gegangen: Carolin lebt heute in Berlin.
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Weshalb bist du gegangen?
Zählt der Wohnort Berlin als „gegangen“? Ich bin in Leipzig aufgewachsen und wollte, wie viele, nach dem Abitur unbedingt in eine neue Stadt ziehen und einen neuen Ort kennenlernen. Berlin war eigentlich von Anfang an die einzige Option. Während des Studiums bin ich dann noch für ein Jahr nach Istanbul gegangen. Vielleicht mochte ich Berlin genau deshalb: Weil es Osten und Westen war. Berlin versprach Freiheit und ein bisschen Heimat.
Wie gestaltest du die Zukunft?
Ich berichte aus und über Ostdeutschland, schreibe über herausragende Frauen von damals und heute und erinnere an Lebensgeschichten, die nach 1989 verschwunden sind. Warum? Damit wir in Zukunft viele Perspektiven haben, die uns etwas über die deutsch-deutsche Vergangenheit erzählen können.
Glaubst du, deine Wende-Erfahrung bzw. die Wende-Erfahrung deiner Familie hat dich auch für den Digitalen Wandel gewappnet?
Fühlst du dich Ostdeutsch?
Meine ganze Familie kommt aus Ostdeutschland und hat in der DDR gelebt. Ich habe über mein Ostdeutsch-sein aber erst richtig nachgedacht, als ich nach Berlin zog und im Studium auf einmal eine der wenigen Ostdeutschen war. „Hast du als kleines Kind Bananen gegessen? Heißt du Mandy?“ Plötzlich wurde die eigene Herkunft ein Thema – in Klischees. Ich war drei Jahre alt, als die Mauer fiel. Aber, auch das versteht man, wenn man älter wird und die eigene Identität hinterfragt: Der Sozialismus, diese DDR wohnt in Bruchstücken in einem und wurde durch die Erziehung der Eltern und Großeltern weitergegeben. Wir Wendekinder mussten diese Stücke nur nie zur Schau stellen.
Wie beeinflusst dich deine ostdeutsche Herkunft?
In meiner Familie gab es keine ganz harten Brüche, aber meine biografische und geografische Herkunft spielt immer wieder eine Rolle bei der Auswahl von journalistischen Themen. Sie beeinflusst meine Neugier und meinen Hunger nach Geschichten, die mit dem Mauerfall verschluckt wurden: Was hat die Generation unserer Eltern und Großeltern geprägt? Woran haben sie geglaubt? Was bedeutete Idealismus? Außerdem: Es ist doch unglaublich, dass man ausgerechnet in diesen einzigartigen Moment in der Geschichte Deutschlands hineingeboren wurde und nun beide Seiten in einem leben, weil man als Wendekind das Glück hat, DDR und BRD in sich zu vereinen.
Was wünschst du dir für Ostdeutschland?
Ich wünsche Ostdeutschland, dass es als gleichberechtigter Teil dieses Landes anerkannt wird und das die ostdeutsche Vergangenheit endlich ein gleichwertiger Teil deutscher Geschichte wird. Wir Ost-Kids können dabei helfen.