Carsten Schneider

Carsten Schneider ist Mitglied des Deutschen Bundestages, Staatsminister beim Bundeskanzler und Beauftragter der Bundesregierung für Ostdeutschland und 1976 in Erfurt geboren, in Obernissa und Erfurt aufgewachsen.

Geblieben: Carsten wohnt aktuell in Erfurt und Babelsberg.

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Weshalb bist du geblieben/gegangen/zurückgekehrt/rübergemacht?

Ich bin in Ostdeutschland geblieben, weil ich als Abgeordneter des Deutschen Bundestags für meine Heimat in Thüringen meine Leidenschaft zum Beruf machen konnte.

Was hat dich motiviert, politisch aktiv zu werden?

Zunächst die Erfahrung, dass ich in der Zeit der ehemaligen DDR nicht frei politisch aktiv sein konnte, sondern nur unter den Vorgaben der SED. Nach der friedlichen Revolution 1989/1990 konnte ich dann endlich so politisch aktiv werden, wie ich das wollte. Initial auslösend waren für mich die Ausschreitungen in Rostock-Lichtenhagen Anfang der 1990er Jahre. Der Anschlag auf das Sonnenblumenhaus entsetzte und verstörte mich so sehr, dass ich anfing mich an Demos zu beteiligen, zu den Jusos zu gehen und mich politisch einzusetzen. Dann erlebte ich, dass viele die Demokratie nicht so wertschätzten wie ich und sich nur relativ wenige Menschen in Ostdeutschland in Parteien engagierten. Das hat mich umso mehr überzeugt, nicht passiv zu bleiben.

Wie überzeugst du junge Menschen, in Ostdeutschland zu bleiben und vor Ort die Zukunft zu gestalten?

Weil es ihre Heimat ist! In Mitteldeutschland schlägt das kulturelle und historische Herz Deutschlands.
Und wir haben ein hohes Maß an Lebensqualität, nicht nur, weil die Landschaften wunderschön sind, sondern auch, weil es hier zum Beispiel gute Schulen gibt und die Betreuung von Kindern in Kitas besser ausgebaut als im Westen Deutschlands.
In vielen ostdeutschen Unternehmen und auch im öffentlichen Dienst steht in den kommenden Jahren ein Generationenwechsel an. Wir brauchen junge, gut qualifizierte Menschen und insbesondere Frauen, die hierbleiben und gestalten wollen. Sie bekommen jetzt die Chance dazu und ich wünsche mir, dass sie diese wahrnehmen.

  • 1976

    Erfurt

  • Bonn

  • 2022

    Erfurt und Babelsberg

Fühlst du dich Ostdeutsch?

Ich fühle mich als Ostdeutscher, weil ich hier aufgewachsen bin und dies meine Heimat ist. Natürlich fühle ich mich aber auch als Deutscher. Bis zu meinem 14. Lebensjahr bin ich in der ehemaligen DDR aufgewachsen. Dann habe ich den Umbruch des Landes erlebt: den Wandel in nahezu allen Lebensbereichen, den Wegfall von Jobs, soziale Unsicherheiten auch in der eigenen Familie. Das hat uns als Ostdeutsche gleichermaßen geprägt, egal ob in Mecklenburg-Vorpommern oder Thüringen und ist zu einer Art kollektivem Gedächtnis geworden. Andererseits habe ich aber auch den Gewinn von Freiheit erlebt, der mit der Wiedervereinigung einherging.

Weshalb gibt es noch immer weniger parteipolitisches Engagement in Ostdeutschland und wie möchtest du das ändern?

Das hat teilweise mit dem Parteiensystem in der DDR zu tun, das nicht frei und demokratisch war, sondern nur eine Simulation. Ein Teil der Elterngeneration war selbst Mitglied der SED und hat nach dem Mauerfall für sich beschlossen, nie wieder in eine Partei einzutreten. Ein anderer Teil hat die Erfahrungen von damals mit ihrer Skepsis und Ablehnung auf das jetzige Parteiensystem übertragen, welches natürlich ein ganz anderes ist. Ich werbe deshalb sehr dafür, in eine demokratische Partei einzutreten. In kaum einem anderen Land ist das System durchlässiger als in Deutschland: In anderen Ländern verhindern Diktaturen parteipolitisches Engagement oder man muss sehr viel Geld haben, um ein politisches Mandat erlangen zu können. Wie man auch an meinem Beispiel sieht, kann in Deutschland jeder Abgeordnete oder Abgeordneter werden – unabhängig vom Geldbeutel für Kandidaturen und Wahlkämpfe.

Was machst du, damit Ostdeutsche bessere Chancen haben?

Ich möchte aufzeigen und bekannter machen, welche Möglichkeiten es bereits in Ostdeutschland gibt und noch geben wird. Wir haben z.B. exzellente Universitäten und erleben aktuell einen Boom als Wirtschaftsstandort, von dem der Osten sehr profitieren wird. Auch zunehmend mehr Bundesbehörden siedeln sich in Ostdeutschland an. Ich wünsche mir, dass die Ostdeutschen mit Selbstbewusstsein nach ihren Chancen greifen. Und schließlich werbe ich in Wissenschaft und Wirtschaft überall in Deutschland dafür, bei den Neueinstellungen alle vorhandenen Potentiale nicht nur abzubilden, sondern auch abzuholen.

Was wünscht du dir für Ostdeutschland?

Dass wir ein anderes, neues Bild von Ostdeutschland zeichnen, abseits der üblichen Stereotype. Und dass wir die Neugierde auf den Osten wecken.
Von den Ostdeutschen selber wünsche ich mir ein stärkeres, gesundes Selbstbewusstsein und mehr gesellschaftliches und politisches Engagement.