Christian Arns
Christian Arns ist 1967 in Köln geboren und später nach Ostdeutschland gezogen.
Rübergemacht: Christian wohnt aktuell in Greifswald, wo er die Stabsstelle Kommunikation und Marketing der Universitätsmedizin Greifswald leitet.
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Weshalb hast du in den Osten rübergemacht?
Als Politik-Student in Marburg und als echter West-Wessi aus Köln ohne Ost-Verwandtschaft fand ich die Möglichkeit unglaublich spannend, für die lokale Wochenzeitung nach Eisenach zu gehen – Marburgs Thüringer Partnerstadt. So konnte ich die Währungsunion und die Deutsche Einheit auf Ost-Seite erleben und darüber berichten. Diese Zeit war so eindrucksvoll, dass mich Deutsch-Deutsches nicht mehr losgelassen hat. Daher bin ich immer wieder hin und her gewechselt. Auf Thüringen folgten Hessen, Berlin, Brandenburg und Sachsen-Anhalt. Letztlich bin ich an der Ostsee gelandet, genauer: am Bodden.
Wie gestaltest du die Zukunft?
Ich habe zwei tolle Söhne, die hier in Greifswald heranwachsen. Wenn das nicht Zukunft ist … Mein ehrenamtliches Engagement hat seit der Geburt meines Älteren zugegebenermaßen abgenommen. Davor war ich vor allem in Umweltschutzverbänden aktiv: beim BUND und bei der Deutschen Umwelthilfe.
Beruflich kommuniziere ich für die Universitätsmedizin Greifswald. Die ist hier nicht nur das wichtigste Krankenhaus der Region, sondern auch der größte Arbeitgeber. Bei der Arbeit setze ich auf größtmögliche Transparenz, auf freundlichen Umgang und lebendige Geschichten. Da trifft rheinische Frohnatur auf eine Mischung aus wissenschaftlicher Präzision und pommerscher Beständigkeit – immer wieder spannend.
Glaubst du, Menschen in Ostdeutschland können besser mit Veränderungen bzw. Wandel umgehen?
Fühlst du dich ostdeutsch?
Nein. Ich bin Kölner, das bleibe ich auch, obwohl ich da schon lange nicht mehr lebe. Aber ich fühle mich in Greifswald sehr wohl, fühle mich der Stadt und den Menschen enorm verbunden. Ich bezeichne mich gerne im Spaß als Ostsee-Kölscher. Tatsächlich fühle ich mich eher der Epoche zugehörig als dem einen oder anderen Landesteil: Ich bin vermutlich 89er, also ein stark durch die Wende und die Einheit geprägter Mensch.
Welche Erfahrungen hast du in Ostdeutschland gemacht?
Natürlich sehr, sehr unterschiedliche. 1990 haben mir deutlich ältere und erfahrenere Menschen ihre Probleme erzählt. Sie hielten mich offenbar für einen Fachmann in alltagsweltlichen Fragen, weil ich aus dem Westen kam. Ich war damals Anfang 20. Mich hat der Gestaltungswille beeindruckt, den ich bei vielen erlebt habe. Manches Mal hat mich aber genervt, wenn die Forderung laut wurde, jemand solle für dieses oder jenes sorgen, statt selbst mal die Initiative zu ergreifen. Zu meinen Erfahrungen zählt auch, dass ich oft entsetzt über andere Westdeutsche und deren gnadenlose Instinktlosigkeit war.
Glaubst du, Westdeutsche hatten nach der Wiedervereinigung im Osten Vorteile?
In den ersten Jahren nach der Wende gab es eine Reihe von Jobs, in denen man offenbar keine alten Kader mehr haben wollte. Genug Nachwuchs gab es nicht, eine ausreichende Zahl an nicht-vorbelasteten Routiniers offenbar auch nicht. Da hatten jüngere Menschen aus dem Westen unglaubliche Chancen. Auch ich hätte manche Arbeitsstelle in diesem Alter im Westen nicht bekommen. Ich persönlich habe also definitiv enorm profitiert, ich hatte Vorteile.
Was hast du in Ostdeutschland gelernt?
Wie wichtig der genaue Blick auf den Einzelfall ist. Als junger Journalist habe ich einen Lehrer kennengelernt, der tolle Projekte gegen den aufkeimenden Rechtsradikalismus unter Jugendlichen gemacht hat. Er war dabei mutig, engagiert und erfolgreich. Dann kam raus, dass er vor vielen Jahren mal IM war. Aus West-Sicht wäre das einfach: Er ist böser Täter, halt ein Stasi-Scherge. So wird‘s dem Mann nur nicht ansatzweise gerecht. Aber einfach drüber hinwegzugehen und so zu tun, als habe es diese Spitzeltätigkeit nicht gegeben, geht natürlich auch nicht. In Ostdeutschland und in der Beschäftigung mit der DDR-Vergangenheit habe ich vermutlich vor allem gelernt, wie wenig Stereotype weiterhelfen.
Was wünschst du dir für Ostdeutschland?
So etwas wie einen gesunden, am besten freudvollen Lokalpatriotismus in den verschiedenen Regionen. Das hilft gegen dumpfen Nationalismus, aber auch gegen das ewige Ost-West-Denken. Mancher Ostdeutsche wäre verblüfft, wie wenig sich ein Westdeutscher als Wessi sieht, sondern als Kölner oder Fränkin, als Pfälzer, Schwäbin oder Ostfriese. Ansonsten würde ich mich über ein paar potente Investoren freuen, die zukunftsträchtige Arbeitsplätze schaffen und dabei genau in die Regionen gehen, die es gerade echt brauchen können. Zugegeben: Mein Optimismus ist da überschaubar, aber Ihr habt ja nach Wünschen gefragt.