Christian Bollert
Christian Bollert ist Journalist, Moderator und Unternehmer und 1982 in Potsdam geboren.
Geblieben: Christian lebt heute in Leipzig.
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Weshalb bist du geblieben?
Leipzig ist für mich persönlich im ersten Schritt schlicht und einfach der attraktivste Studienort mit einem für mich passenden Angebot gewesen. Als im Potsdamer Umland und West-Berlin Aufgewachsener hatte Berlin für mich damals nicht den Reiz, den es vielleicht für viele andere hat und hatte. Im Laufe der Jahre habe ich dann Leipzig immer besser kennen und schätzen gelernt. Für mich bietet die Stadt eine ideale Mischung aus Großstadt und persönlicher Nähe. In Leipzig gibt es eine sehr lebendige Subkulturszene, gleichzeitig kennt mich die Verkäuferin bei meinem Lieblingsbäcker und ich bin mit dem Rennrad in 15 Minuten auf einer entspannten Landstraße.
Wie gestaltest du die Zukunft?
Als Gründer des Onlineradios und Podcast-Labels detektor.fm arbeite ich zusammen mit unserem Team in Leipzig an einer zeitgemäßen Form von Audio-Journalismus und neuen Formen von Arbeit. Mit detektor.fm gehören wir heute deutschlandweit zu den führenden Anbietern in unserem Bereich und setzen inhaltlich und technologisch immer wieder Akzente.
Das Thema Ostdeutschland begleitet mich spätestens seit meiner Jugend zwischen Brandenburg und West-Berlin, Großeltern im ehemaligen Sperrgebiet zwischen Sachsen-Anhalt und Niedersachsen und vielen journalistischen Projekten zum Thema. Deswegen engagiere ich mich ehrenamtlich in dieser überparteilichen und zivilgesellschaftlichen Initiative.
Glaubst du, deine Wende-Erfahrung bzw. die Wende-Erfahrung deiner Familie hat dich auch für den Digitalen Wandel gewappnet?
Fühlst du dich Ostdeutsch?
Ich fühle mich eher europäisch, aber “ostdeutsch” ist ein zentraler Teil meiner Identität. Denn hier bin ich aufgewachsen, als Kind mit meinen Eltern an die Ostsee oder in den Thüringer Wald gefahren und hier ist mein Lebensmittelpunkt. Mich berühren vielleicht auch deshalb heute noch der Geruch Brandenburger Wälder oder der ganz eigene Sound der Ostsee. Ich merke auch, dass mich “ostdeutsche” Themen wie die Umbrüche in den 1990er Jahren, die Treuhand oder die Biographien von Ostdeutschen besonders interessieren und bewegen. Außerdem ist mir in den letzten Jahren immer klarer geworden, dass es sehr viele spezifisch ostdeutsche Erfahrungen gibt, über die heute auch viel offener gesprochen wird.
Wie beeinflusst dich deine ostdeutsche Herkunft?
Ich persönlich habe ein paar Jahre gebraucht, um mir einzugestehen, dass ich als Gründer im Bereich der Kreativwirtschaft Geld verdienen will und Geld verdienen muss, wenn ich die Dinge erreichen und verändern möchte, die ich mir vorgenommen habe. Für mich mit meiner ostdeutschen Sozialisation hatte “Geld verdienen” bis dahin etwas Negatives und Anrüchiges. Gleichzeitig spielt Geld allein für mich keine zentrale Rolle, wichtiger sind mir Werte wie Fairness und Partnerschaft. Ist das ostdeutsch? Das weiß ich nicht. Außerdem sind mir die vielen biographischen Brüche der Ostdeutschen vor allem Anfang der 1990er Jahre sehr bewusst und aus meinem Freundeskreis noch sehr präsent.
Was wünscht du dir für Ostdeutschland?
Für mich sind die vielen Krisen und Herausforderungen immer auch eine Chance für Neuanfänge und Innovationen. Ich bin davon überzeugt, dass einige Regionen in Ostdeutschland in zehn, zwanzig Jahren mit den richtigen Weichenstellungen Vorzeigebeispiele für die digitale Transformation sein können. Die Entwicklung von Leipzig in den letzten fünf bis zehn Jahren ist da sicher ein Fingerzeig. Dafür braucht es Zuversicht und Mut und genau das haben viele Ostdeutsche aller Altersgruppen ja seit 1989 mehrfach bewiesen. Dann bin ich mir auch sicher, dass wir 2029 keine vergleichbare Initiative mehr starten müssen. Oder, um es mit Curtis Mayfield zu sagen: Keep on keeping on!