Clemens Kießling
Clemens Kießling ist selbständiger Konzeptentwickler und 1989 in Freiberg/Sachsen geboren.
Geblieben: Clemens wohnt heute in Zimpel.
Foto: Paul Glaser
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Weshalb bist du geblieben?
Ich bin immer wieder für mindestens 6 Wochen, manchmal auch 3 Monate weggegangen und habe andere Luft geatmet. Das war herrlich und zu einem gewissen Zeitpunkt war ich sicher drauf und dran, in Spanien zu bleiben. Aber letztendlich habe ich mich irgendwie verpflichtet gefühlt, nicht einfach davon zu rennen, sondern mitzugestalten. Ich habe mich in meiner Heimat trotz aller Konflikte auch immer wohl gefühlt und letztlich gemerkt, dass ich mich in dieser Umgebung am sichersten und selbstbewusstesten entwickeln kann.
Wie gestaltest du die Zukunft?
Ich hab Freude daran – beruflich und privat -, den ländlichen Raum und die kleineren Städte mit zu entwickeln. Man könnte 1000 Ideen auf einmal umsetzen, aber ein bisschen Fokus braucht es dann doch. Angefangen habe ich mit einem Konzeptladen und Werkstätten, der „Jakobpassage“, dazu kam ein kleines Restaurant „Jakobs Söhne“ und dann ein etwas größeres Zentrum, das die Vereinbarkeit von Familie und Beruf von den Großstadtkonzepten in die Kleinstadt überträgt – „Jakobs Enkel“ mit Eltern-Kind-Coworking, Eltern-Kind-Cafe, Spielfläche und Bewegungsraum. Ich seh‘ viel mehr Stärken in der strukturschwachen Region!
Glaubst du, deine Wende-Erfahrung bzw. die Wende-Erfahrung deiner Familie hat dich auch für den Digitalen Wandel gewappnet?
Fühlst du dich Ostdeutsch?
Ich bin ostdeutsch, weil die Prägung meiner Elterngeneration noch sehr stark auf mich übergegangen ist. Ich bin auf recht magerem Boden gewachsen, um es botanisch auszudrücken. Und das erzeugt eine seltsame Identität. Im Studium zum Beispiel konnte man immer wieder recht schnell merken, wenn jemand mit dem „Leidensdruck“ armer Osteltern unterwegs war. Und dann ist da natürlich noch der Dialekt, den ich nie loswerden kann und das „Glück auf!“, das ich mir mit Absicht aus Freiberg erhalten habe.
Wie beeinflusst dich deine ostdeutsche Herkunft?
Ich denke, dass viele in meinem Alter, also um 1990 geboren, in ihrer Biografie von den Nachwehen der Wende stark beeinflusst sind. Der Bruch war hart und es gab keine Eingewöhnungsphase in die neue Freiheit. Mein Vater hat den Umbruch nicht verkraftet. Umso dankbarer bin ich meiner Mutter, dass sie es trotzdem irgendwie geschafft hat, mich zu dem zu machen, was ich heute bin. Heute habe ich die Ambitionen, für meinen eigenen Sohn eine Heimat zu gestalten, die er nicht so ambivalent sehen muss, wie ich Sachsen über all die Jahre betrachtet habe. Das mentale Aufgeben mancher in meiner Kindheit ist für mich die größte Motivation, das Mögliche und Positive darzustellen.
Was wünschst du dir für Ostdeutschland?
Um es mit Ost-Worten zu sagen: „Überholen ohne einzuholen“. Ich würde mir sehr wünschen, dass sich im Osten der Gedanke entwickelt, Pilot und Vorreiter sein zu wollen – und das gemeinsam. Hört bitte auf, alten Erfolgen anderer nachzurennen, die wir nie erreichen. Die Sterne stehen eigentlich gerade sehr günstig, um den Osten im Wandel zu einem Vorbild für die Welt zu machen. Das geht allerdings nur, wenn wir uns für die Welt offen zeigen!