Daniela Kolbe
Daniela Kolbe ist Mitglied des Bundestages (SPD) und 1980 in Schleiz geboren.
Geblieben: Daniela wohnt aktuell in Leipzig.
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Weshalb bist du geblieben?
Die Frage zu gehen, hat sich mir nur am Ende meiner Schulzeit ernsthaft gestellt. Jena, die Stadt, in der ich Abi gemacht habe, schien mir damals pofelig klein. Aber da war ja noch Leipzig, das mir damals ausreichend weit weg und ausreichend groß vorkam. Und als ich dann in Leipzig gelandet war, fühlte ich mich hier gleich so heimisch und es gab eigentlich immer so viel zu tun, dass sich die Frage nach dem Weggehen nicht mehr gestellt hat.
Was hat dich motiviert, politisch aktiv zu werden?
Bei mir waren es die Debatten am Abendbrottisch, die Streitgespräche mit meinem Vater, die mich politisiert haben. Und die vielen offenkundigen Ungerechtigkeiten: Kinderarmut, weltweite Ungerechtigkeiten, die Ausbeutung der Umwelt. Ach, und die wirklich mega-rechten Onkel. Ich habe mich sehr daran politisiert, sie bei den Familienfeiern zum Schweigen zu bringen.
Wie überzeugst du junge Menschen, in Ostdeutschland zu bleiben und vor Ort die Zukunft zu gestalten?
Ich habe nicht den Eindruck, dass ich Menschen davon überzeugen muss. Die aller-aller-allermeisten wollen gerne bleiben. Die Frage ist eher: Finden sie hier die Jobs und die Möglichkeiten, die sie suchen?
Fühlst du dich Ostdeutsch?
Weshalb ich mich so ostdeutsch fühle, das habe ich mich schon oft gefragt. Ich meine, es hat vor allem mit der Erfahrung zu tun, während und nach der Wiedervereinigung die eigenen Eltern und Großelterngeneration erlebt zu haben. Sie haben mutig eine Diktatur zum Einsturz gebracht. Als Kind hatte ich das eine oder mal richtig Angst um meinem Vater. Nach der Wiedervereinigung sind viele von ihnen gestrauchelt, gestolpert und haben sich komplett neu erfunden. Das hat mich beunruhigt und geprägt. Daran bin ich auch gewachsen. Rückblickend muss ich aber auch sagen: Ich bin sehr stolz auf diese Menschen.
Weshalb gibt es noch immer weniger parteipolitisches Engagement in Ostdeutschland und wie möchtest du das ändern?
Im Wahlkampf höre ich immer wieder den Satz „Ich war noch nie in einer Partei und das ändere ich auch nicht mehr.“. Aus dem Stolz, sich nie der SED oder einer der Blockparteien angeschlossen zu haben, erwächst ein Stolz, das auch in der aktuellen Demokratie nicht zu tun. Und wenn die Eltern und Großeltern ein solches Engagement geradezu abwegig finden, wie sollten dann Parteien in Ostdeutschland bei den jungen Menschen Zulauf bekommen? Es bleibt also ein dickes Brett zu bohren. Aber für Projektarbeit und Arbeit in Bewegungen sind auch in Ostdeutschland sehr viele Menschen ansprechbar.
Was machst du, damit Ostdeutsche bessere Chancen haben?
Im Bundestag habe ich mich immer dafür eingesetzte, dass ostdeutschen Lebensläufen mit mehr Respekt begegnet wird. Mein Eindruck war, dass ostdeutsche Lebensleistungen vor der Wiedervereinigung (böse Diktatur) und auch danach („die jammern ja immer nur“) ganz beiläufig abgewertet wurden. Das hat sich mittlerweile deutlich verändert und verbessert. Und natürlich habe ich mit dafür gekämpft, dass sich Löhne und Lebensbedingungen in Ostdeutschland verbessern. Ich bin stolz, dass wir den einheitlichen gesetzlichen Mindestlohn durchgesetzt haben, die Grundrente und viele weitere Maßnahmen. Es bleibt aber viel zu tun: Wir brauchen endlich auch mehr gute Tariflöhne in Ostdeutschland.
Was wünscht du dir für Ostdeutschland?
Dass wir aus dem Definzitansatz rauskommen. Hier läuft viel gut und manches auch besser als anderswo. Und, dass wir gleichzeitig trotzdem die Probleme benennen. Nur wer Probleme benennt, kann sie auch lösen.