Wir sind der

Osten

Dirk Schulze

Dirk Schulze ist Dozent und 1972 in Magdeburg geboren und aufgewachsen.

Gegangen: Dirk wohnt aktuell in Göttingen.

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Weshalb bist du gegangen?

Ich habe lange an meinem Studienort Greifswald gelebt, dort und in Rostock gearbeitet. Dann liefen meine immer befristeten Verträge aus und nach einem Jahr Arbeitslosigkeit konnte ich in meiner neuen Heimat Göttingen anfangen.

Wie gestaltest du die Zukunft?

Ich sehe meine Arbeit als eine von vielen Facetten meines Lebens, in denen ich nach immer mehr Kongruenz strebe. Neben der Arbeit sind da noch Musik und Fotografie. In meiner Arbeit begleite ich meist junge Menschen auf ihrem Weg ins (Berufs-)Leben. Dabei sehe ich mich als Humanist – im Mittelpunkt meiner Lehre und auch der Forschung (Englische Sprache und Literatur) steht der Mensch, nicht die Theorie. Dank meiner Weiterbildung zum Gestalttherapeuten wird mein Unterricht immer „therapeutischer“: Ich bringe Neugier auf den Stoff und auf die Studierenden, klugen Mut zum Risiko, Verantwortungsbewusstsein und Achtsamkeit ins Seminar – und wünsche mir von meinen Studierenden dasselbe.

  • 1972

    Magdeburg

  • Greifswald

    Meilenstein Inhalt hierhinein

  • 2019

    Göttingen

Glaubst du, deine Wende-Erfahrung bzw. die Wende-Erfahrung deiner Familie hat dich auch für den Digitalen Wandel gewappnet?

3 von 5
Stimme gar nicht zu
Stimme voll und ganz zu

Fühlst du dich Ostdeutsch?

Ich bin hier in den westlichen Bundesländern mehr mit meiner ostdeutschen Herkunft konfrontiert worden. Ich habe viel über kulturellen Kolonialismus und Othering und in Afrika gelernt, wo ich länger gereist bin und auch eine Weile gelebt habe. Auch wenn ich derzeit nicht im Osten lebe oder dort leben will, kenne ich eine gewisse melancholische Verbundenheit. Und eine ausgesprochene Wut, wenn jemand aus Westdeutschland stets sofort „weiß, wie es war“, nur um „den Osten“ dann stereotyp zu definieren. Selten angemessen. Oder aber, wenn ostdeutsch gleichgesetzt wird mit „Sonderfall“, „erklärbedürftig“, „nicht normal“ usw., als sei dies der Westen nicht auch.

Wie beeinflusst dich deine ostdeutsche Herkunft?

Ich bin vor allem dankbar: für die Komplexität meiner Biographie; dafür, bei der Wende 1989 und davor politisch aktiv dabei gewesen zu sein. Ich habe gelernt zu verstehen, dass man bei der Geburt keinen Rentenanwärterschein erhält, diesen sukzessive ausfüllt und dann bei der Grablegung abgibt. Im Guten wie im Schlechten bin ich gemeinschaftsorientiert geprägt – ausgelebter Egoismus widert mich an, ich musste jedoch lernen, mehr für mich selbst einzustehen. Gute Schulbildung und Improvisationsvermögen bringe ich mit und eine (wie ich glaube) gesunde Skepsis gegenüber der Karriere als Lebensziel.

Was wünscht du dir für Ostdeutschland?

Geduld, Menschlichkeit, Besinnung – darauf, dass die, denen die Geschichte nicht gut mitgespielt hat, besser in Solidarität wachsen als sich anzufeinden. Besinnung auch darauf, wie es war, mit weniger materiellem Besitz gut auszukommen. Ich wünsche mir eine selbstverständliche ostdeutsche Identität so wie es eine bayrische oder kölsche gibt, und vielleicht muss sie sich dafür in viele verschiedene auflösen.