Dr. Martin Kriemann
Dr. Martin Kriemann ist Erziehungswissenschaftler und Sozialpädagoge und 1981 in Berlin geboren und aufgewachsen.
Status: Martin wohnt aktuell in Berlin.
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Weshalb bist du geblieben?
Dass ich in Ostdeutschland lebe, hat vor allem familiäre Gründe. Eine bewusste Entscheidung war es nicht, vielmehr ergab es sich aus meinen beruflichen Umständen. Ich habe mich auch auf Stellen im Westen beworben – vielleicht führt mich mein Weg ja irgendwann dorthin. Wenn ich es mir frei aussuchen könnte, würde es mich wohl in den Norden ziehen, genauer gesagt: an die Küste.
Wie gestaltest du die Zukunft?
Ich arbeite an der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg und lebe in Berlin. Das Pendeln durch Ostdeutschland gehört also zu meinem Alltag. Beruflich befasse ich mich mit Ost und West, habe dazu promoviert und forsche aktuell zum Kohleausstieg im mitteldeutschen Braunkohlerevier. Im Gespräch mit Menschen vor Ort bin ich immer wieder erstaunt, wie präsent die Vergangenheit in ihren Erzählungen ist. In der Debatte wünsche ich mir weniger Betonung oder Verneinung von Unterschieden – stattdessen mehr offenes Interesse an Differenz. So könnten wir – unabhängig von Herkunft und Geschichte – gemeinsam nach vorn schauen.
Glaubst du, deine Wende-Erfahrung bzw. die Wende-Erfahrung deiner Familie hat dich auch für den Digitalen Wandel gewappnet?
Fühlst du dich Ostdeutsch?
Ich fühle mich in erster Linie als Europäer und Demokrat. Dass meine Wurzeln in der DDR liegen, muss ich deshalb nicht verleugnen – im Gegenteil: Sie gehören zu mir, ebenso wie die Erfahrungen der Transformation. Angesichts der zunehmenden globalen Krisen erscheint es mir heute umso wichtiger, sich nicht allein über regionale Herkunft zu definieren, sondern sich mit den vielfältigen Erfahrungen und Räumen zu verbinden, in denen man lebt und wirkt.
Wie beeinflusst dich deine ostdeutsche Herkunft?
Meine ostdeutsche Herkunft wird seltsamerweise vor allem dann relevant, wenn ich mit Gleichaltrigen oder älteren Menschen unterwegs bin – für meine Kinder spielt sie keine Rolle. Ob mich die Wende widerstandsfähiger oder empfindsamer gemacht hat, weiß ich nicht, und ehrlich gesagt: Es ist mir auch nicht so wichtig. Was ich aber weiß, ist, dass es dabei nicht nur um persönliche Haltung geht. Viele Menschen haben in dieser Zeit viel verloren. Dass ich heute ein gutes Leben führen darf, ist ein Geschenk – und ich bin mir bewusst, dass es viele Menschen auf dieser Welt sehr viel schwerer haben.
Was wünscht du dir für Ostdeutschland?
Ich wünsche mir für Ostdeutschland, dass wir eines Tages aufhören können, dieses Wort überhaupt noch zu brauchen – weil sich die Lebensverhältnisse angeglichen haben und die Erfahrungen der Menschen aus der Vergangenheit wertgeschätzt und anerkannt werden.