Wir sind der

Osten

Dr. Werner C. Barg

Dr. Werner Barg ist 1957 in Neumünster geboren und hat sich später für Ostdeutschland entschieden.

Rübergemacht: Werner ist Produzent & Autor für TV und Film und Dozent für Medien- und Filmwissenschaft und wohnt aktuell in Berlin-Friedrichshain, Halle und in der Uckermark.

Foto: Patrick Boose (herzfeld productions)

Das Profil teilen:

Weshalb hast du in den Osten rübergemacht?

  1. Aufbau der Filmproduktionsfirma in Halle
  2. Übernahme der Vertretungsprofessur an der Martin-Luther-Universität

Wie gestaltest du die Zukunft?

Ich produziere verschiedene Filme in der Region Mitteldeutschland. Der zuletzt von mir mit herzfeld productions produzierte Kinofilm „Einsamkeit und Sex und Mitleid“ wurde in Halle und Leipzig gedreht. Die Professur der Abteilung Medien- und Kommunikationswissenschaft, welche ich vertrete, verbindet Medientheorie, -analyse und -praxis miteinander. Viele Absolvent*innen meines Instituts arbeiten in der Medien- und Kreativwirtschaft in Sachsen-Anhalt, Sachsen und Thüringen, aber auch in Berlin und bundesweit.

  • 1957

    Neumünster

  • Hamburg

  • Marburg

  • Freiburg

  • Köln

  • 2020

    Berlin, Halle, Uckermark

Glaubst du, Menschen in Ostdeutschland können besser mit Veränderungen bzw. Wandel umgehen?

3 von 5
Stimme gar nicht zu
Stimme voll und ganz zu

Fühlst du dich ostdeutsch?

Ich habe an verschiedenen Orten in Deutschland und auch im Ausland gelebt. Deshalb sehe ich mich als kosmopolitischen Menschen, den Aufgaben reizen, unabhängig davon, wo sie zu bewältigen sind. Dennoch habe ich ein positives Gefühl zu der Landschaft, in der ich aufgewachsen bin und daher fühle ich mich im Norden Brandenburgs in der Seen- und Grundmoränenlandschaft, die der meiner Herkunftsregion Schleswig-Holstein gleicht, aber noch naturwüchsiger ist, sehr wohl, um Abstand vom Alltagstrubel in den Städten zu finden und zur Ruhe zu kommen.

Welche Erfahrungen hast du in Ostdeutschland gemacht?

Für mich war der Gang nach Halle a.d. Saale gar kein Problem; die Aufnahme hier am Institut durch die Kolleg*innen war sehr positiv. Und auch das medienpolitische Klima fürs Filmemachen habe ich in der mitteldeutschen Region stets als sehr offen und kreativ erlebt.

Glaubst du, Westdeutsche hatten nach der Wiedervereinigung im Osten Vorteile?

Ich war mit Lafontaine 1989/90 eher für eine vorübergehende „Zwei-Staaten-Lösung“, um eine langsame Angleichung der Systeme zu erreichen und genau den kapitalistisch-marktwirtschaftlichen Rollback zu verhindern, der dann mit allen brutalen Konsequenzen für die Lebensperspektive vieler über die ehemalige DDR hinwegfegte. Die Mehrheit der DDR-Bürger*innen hat sich damals anders entschieden. Die versprochenen blühenden Landschaften blieben aus. Mittlerweile haben sich Ost und West glücklicherweise sehr angeglichen. Ich erlebe z.B. zwischen Halle und Berlin atmosphärisch keinen Unterschied, beides weltoffene Städte.

Was hast du in Ostdeutschland gelernt?

Mein Leben und meine Arbeit in Halle hat meine Perspektive kaum verändert. Schon in der Zeit der Teilung Deutschlands hatte ich Freunde in Mecklenburg und habe so über das Leben in der DDR schon vieles mitbekommen. Was mir an den Menschen hier gefällt, ist ihr ausgeprägter Gerechtigkeitssinn, ebenso das nicht so Konventionelle und Stromlinienförmige, manchmal wunderbar Querdenkende und philosophische Reflektieren über die Welt. Allerdings sehe ich im Verhalten mancher auch Relikte des Obrigkeitsdenkens, das nach den zwei Diktaturen, die sich auf dem Gebiet von Ostdeutschland fast nahtlos aneinanderfügten, zwar verständlich sein mag, mich aber nach 30 Jahren Demokratie doch verwundert.

Was wünscht du dir für Ostdeutschland?

Dass wir aufhören, uns nach ost- oder westdeutsch zu definieren und eine Initiative wie „Wir sind der Osten“ perspektivisch überflüssig wird.