Wir sind der

Osten

Elisabeth Habel

Elisabeth Habel ist Zahntechnikerin und 1997 in Lutherstadt Wittenberg geboren.

Zurückgekehrt: Elisabeth lebt heute in Leipzig.

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Weshalb bist du zurückgekehrt?

Ich habe mich dort in Bayern immer wie eine Fremde gefühlt. Es war denke eine Dummheit, mit 17 Jahren auszuziehen und dann auch noch so weit weg. Aber ich habe es gemacht und neue Erfahrungen gesammelt. Nach zwei Jahren habe ich schließlich meine Sachen gepackt und mein Vater hat mich mit dem großen Auto abgeholt und seitdem habe ich Landshut nie wieder gesehen. Mir hat der Wittenberger Dialekt schon fast gefehlt, allerdings nicht die Art und Weise, wie die Menschen dort miteinander umgehen. Ich sehe die Verbitterung, wenn ich mir die ehemaligen Nachbarn aus der Plattenbauwohnung ansehe. Wenn ihnen besonders langweilig ist, laufen sie auch gerne nachts mit Parolen durch die Straßen.

Wie gestaltest du die Zukunft?

Hauptberuflich bin ich Zahntechnikerin, aber seit 2016 auch politisch aktiv bei der Satirepartei Die PARTEI.
Ich komme ursprünglich aus Lutherstadt Wittenberg, vor einem Jahr stand ich dann erstmals als Gegenprotestlerin bei einer Kundgebung der AfD in der Innenstadt, zuerst stand ich dort alleine und wurde beschimpft, fünf Polizisten mussten mich schützen. Mittlerweile erlebe ich, dass mein Engagement gegen Rechtspopulismus auch anderen Menschen Mut macht. Ich sehe es online an den Kommentaren, Menschen widersprechen, Menschen engagieren sich in der Kommunalpolitik. Ich möchte junge Menschen für eine wehrhafte Demokratie begeistern.

  • 1997

    Lutherstadt Wittenberg

  • Landshut

  • 2019

    Leipzig

Glaubst du, deine Wende-Erfahrung bzw. die Wende-Erfahrung deiner Familie hat dich auch für den Digitalen Wandel gewappnet?

3 von 5
Stimme gar nicht zu
Stimme voll und ganz zu

Fühlst du dich Ostdeutsch?

Ich fühle mich ostdeutsch, weil ich es zwangsläufig sein muss. Man wirft es mir vor, jeden Tag. Jeden Tag wirft man mir vor, ich toleriere Nazis, ich bin unzufrieden, ich jammere, ich kann nichts, ich bin dumm. Die Menschen differenzieren nicht, weder in den neuen, noch in den alten Bundesländern. Das war aber nicht schon immer so, das habe ich erst richtig gemerkt, als ich kurzzeitig in Bayern gelebt hatte. Da gab es jeden Tag Bananenwitze und nicht alle waren gut. Wenn etwas noch schlimmer ist als Ossiwitze, dann sind es schlechte Ossiwitze. Aber umso stolzer bin ich natürlich, dass ich eine ostdeutsche Antifaschistin bin, eine, die nicht nur jammert oder Nationalismus toleriert.

Wie beeinflusst dich deine ostdeutsche Herkunft?

Ich habe die Wende nie persönlich erlebt, nur im Schulunterricht und durch Erzählungen meiner Eltern. Es macht mich wütend, wenn die DDR-Zeit jetzt komplett verdreht für Wahlkämpfe benutzt wird. Es wird skandiert, es wäre wieder so schlimm. Das ist nicht wahr, als Ostdeutsche macht mich das wütend. Ich liebe Deutschland so in dieser demokratischen Form, ich bin in einer Zeit geboren, in der die junge Generation in einem vereinten Land aufgewachsen ist, wir werden es nie verstehen, wie es ist, in einer DDR zu leben. Aber wir müssen begreifen, dass wir es sind, die die Demokratie erhalten müssen, das Trauma unserer Eltern und Großeltern ausheilen. Mit uns selbst versöhnen.

Was wünscht du dir für Ostdeutschland?

Ich wünsche mir, dass die Bundesparteien uns nicht fallen lassen, nur weil wir dünner besiedelt sind. Ich wünsche mir Wirtschaft, Aufschwung, Anbindung, Eingliederung, Respekt. Die Rechtspopulisten kommen nicht von irgendwo her, sie zu bekämpfen, das ist wie ein Arzt, der dir Morphium verschreibt für die Schmerzen, aber die Wunde einfach nicht näht. Man stirbt dennoch, aber immerhin auf einem guten Trip.
Besser, man gibt Morphium und näht dieses Land endlich wieder zusammen. Wir haben Potential, aber wir wandern in den Westen mit diesem Potential. Für das Geld, für die Rente, für Anerkennung und Chancen. Chancengleichheit nicht als Versprechen, sondern als Verpflichtung, das wünsche ich.