Wir sind der

Osten

Elke Schilling

Elke Schilling ist Dipl.Math., IT-Spezialistin, Organisationsentwicklerin, Rentnerin und 1944 in Leipzig geboren.

Gegangen: Elke wohnt aktuell in Berlin.

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Weshalb bist du gegangen?

Gegangen: 1990, weil wir die über uns gestülpte Gesellschaftsordnung im Original kennenlernen wollten. Zurückgekehrt: 1991, weil mich mein Arbeitgeber wegen meiner Anschlussfähigkeit nach Magdeburg schickte, um im Osten für ihn zu arbeiten.

Wie gestaltest du die Zukunft?

Ich bin die Gründerin von Silbernetz und 1. Vorsitzende des Trägervereins Silbernetz e.V. Ich engagiere mich gegen Einsamkeit und Altersdiskriminierung in diversen Netzwerken, national und international. Silbernetz bietet älteren Menschen mit Einsamkeitsgefühlen seit fünf Jahren einen dreistufigen Service: „Silbertelefon“: Hier finden Senior*innen ein offenes Ohr zum „einfach-mal-Reden“ und einfach mal Zuhören. „Silbernetz-Freund*innen“: Interessierte Senior*innen werden mit Ehrenamtlichen vernetzt, die dann für ein persönliches Gespräch regelmäßig anrufen. „Silberinfo“: Deutschlandweit werden am Telefon Informationen zu Basisangeboten der Altenhilfe in Ländern und Kommunen gegeben.

  • 1944

    Leipzig

  • 1991

    Magdeburg

  • 2023

    Berlin

Glaubst du, deine Wende-Erfahrung bzw. die Wende-Erfahrung deiner Familie hat dich auch für den Digitalen Wandel gewappnet?

3 von 5
Stimme gar nicht zu
Stimme voll und ganz zu

Fühlst du dich Ostdeutsch?

Das Gefühl von Anderssein hat mich in 35 Jahren nie verlassen. Es wird immer wieder getriggert, wenn westdeutsch Sozialisierte im Brustton der Überzeugung verkünden, wie der Osten war, oder bei Betrachtungen deutscher Geschichte zwar von Deutschland reden, aber nur westdeutsche Geschichte meinen. Ich habe immer wieder Dejá-vu-Erlebnisse von der Sorte „alles wie im Osten, nur anders gefärbt“. Der Kessel von Leipzig (Mai 2023) erinnerte mich mit der Polizeipräsenz und den vermummten Polizisten in der Demo an ähnliche Ereignisse meiner Geschichte. Es sind auch die pauschalen Abwertungen der Ossis durch Wessis, die auch Angela Merkel in ihrer Rede am Tag der deutschen Einheit 2021 benannte.

Wie beeinflusst dich deine ostdeutsche Herkunft?

Ich weiß, dass ich trotz meiner Herkunft („Kapitalistenkind“ nannten mich meine Lehrer*innen) eine richtig gute Ausbildung genießen konnte, dass ich Kreativität, kritische Distanz, Fantasie und Improvisationsgabe entwickeln konnte. Das in der DDR erworbene Wissen, die dort gemachten Erfahrungen haben mich befähigt, auch Veränderungen zu überleben und im Rahmen meiner Möglichkeiten mitzugestalten, auch wenn nahezu alle Gewissheiten und Normalitäten wegbrechen, plötzlich wertlos scheinen. Das macht mich auch – wenigstens ein Stück weit zuversichtlich, bei den jetzt und in Zukunft anstehenden existenziellen Veränderungen, etwas beitragen zu können.

Was wünscht du dir für Ostdeutschland?

Meine Wünsche für Ostdeutschland sind Gleichberechtigung, Chancengleichheit, Augenhöhe und die Anerkennung, aber auch den Willen von Ossis, ihre Wechselerfahrungen in den anstehenden Systemwandel selbstbewusst und positiv einbringen zu können und zu wollen.