Eva Howitz
Eva Howitz ist diplomierte Modedesignerin und 1982 in Rostock geboren und in Dresden aufgewachsen.
Geblieben: Eva wohnt aktuell in Leipzig.
Foto: Stefan Krauth
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Weshalb bist du geblieben?
Gegangen bin ich hin und wieder, um meinen Erfahrungshorizont zu erweitern. Trotzdem habe ich immer gern in Leipzig gewohnt. Schon in meinem Modelabel howitzweissbach war mir die lokale Textilproduktion ein Anliegen. Es gibt eine mannigfache Anzahl an reizvollen Unternehmen allein in Sachsen, die es sich lohnt achtsam zu zeigen und zu nutzen. Wann immer wir unsere Kollektionen in Italien/ Frankreich/ Australien etc. präsentiert haben, war es uns wichtig über unsere Produzent:innen zu informieren. Zu zeigen, dass man ohne Containerschiffe ganz nah, alle uns umgebenden textilen Produkte herstellen kann. Dabei spürte ich immer, dass auch aus Ostdeutschland zu kommen schon reicht, um exotisch zu wirken.
Wie gestaltest du die Zukunft?
Gemeinsam mit Lena Seik, Marcus Pester-Weissbach und Alwina Pampuch bin ich dabei die Initiative lokaltextil zur Förderung textilen Bewusstseins auf den Weg zu bringen. Zum einen begreifen wir uns als Platform für lokale Textilproduzentinnen und informieren über lokale Produktionsmöglichkeiten, zum anderen ist ein gemeinnütziger Verein zur Bildung und Vermittlung textiler Prozesse in Gründung. Wir entwickeln mit unseren Partner:innen Projekte und Produkte, die begeisternd bilden. Wir arbeiten für mehr Wertschätzung und Sichtbarkeit immer auch der ehemals ostdeutschen Textilproduktion. Ziel ist es, eine transparente und nachhaltige Wertschöpfungskette aufzubauen.
Glaubst du, deine Wende-Erfahrung bzw. die Wende-Erfahrung deiner Familie hat dich auch für den Digitalen Wandel gewappnet?
Fühlst du dich Ostdeutsch?
Ich fühle mich ehrlich gesagt als Mensch, der in der Welt ist, habe allerdings eine Sozialisierung in Ostdeutschland erlebt. Wir fuhren im Sommer an die Ostsee oder in die Masuren und im Winter zum Wandern in die Hohe Tatra. Zudem wurde mir schnell bewusst, dass gewisse Eigenschaften mein eigen sind, die als „ostdeutsch“ gelten. Dazu zähle ich Bescheidenheit, Gemeinsinn, ein „nicht-Anderen-mit meinen-Vorhaben-Schaden-zufügen-wollen“. Vielleicht sind die Eigenschaften aber auch einfach meiner persönlichen Erziehung geschuldet. Es ist mir immer wichtig, zu meinen Worten zu stehen, ihnen immer auch Taten folgen zu lassen.
Wie beeinflusst dich deine ostdeutsche Herkunft?
Ich habe die Wendezeit als Kind meiner Eltern als großen Umbruch erlebt. Sie mussten beide neu beginnen. Mit drei Kindern war dies ganz sicher ein Kraftakt. Das habe ich natürlich mitbekommen. Ein Land, das von heute auf morgen nicht mehr existiert, das muss man erst einmal verarbeiten. Heute sprechen wir in diesem Zusammenhang oft von Lohnungerechtigkeiten, Gleichberechtigung, Erbschaft, Mieten, Biografien, Freiheiten etc. Ich bin zudem mit meiner Großfamilie immer wieder in Gesprächen, wie eine objektive Erzählung möglich wäre. Ohne Ostalgie, aber immer mit Achtung vor dem einzelnen Menschen und dessen Erleben.
Was wünscht du dir für Ostdeutschland?
Ich wünsche mir mehr Wertschätzung für Ostdeutschland. Ich wünsche mir einen achtsamen Umgang mit dem Erreichten. Eine andere Wahrnehmung dessen, was hier 40 Jahre lang Realität war. Ich wünsche mir Anerkennung für ostdeutsche Designer:innen, rückwirkend. Ich wünsche mir mehr Mut und Aktivität. Mehr Haltung von den Ostdeutschen. Raus aus der Opferhaltung. Stolz auf das Tun und das, was getan wurde. Ich wünsche mir Objektivität in der Bewertung von kulturellem Erbe. Ich wünsche mir starke Stimmen. Mehr Selbstbewusstsein und ein Selbstverständnis, Ungerechtigkeiten entgegen zu treten. Ich wünsche mir objektive Aufarbeitung. Ich wünsche mir, dass die Geschichten klüger erzählt werden.