Wir sind der

Osten

Fabian Schrader

Fabian Schrader ist Theaterpädagoge, Moderator und Podcaster und 1990 in Magdeburg geboren, in Westdorf/Aschersleben aufgewachsen.

Gegangen: Fabian wohnt aktuell in Berlin.

Das Profil teilen:

Weshalb bist du gegangen?

Meine Entscheidung in Berlin zu bleiben, war keine sehr bewusste, viel eher bin ich hier in einer Zeit des Suchens nach mir selbst (beruflich, persönlich und auch sexuell) hängen geblieben. Erst nach Jahren habe ich für mich entschlossen, hier zu bleiben und neue Wurzeln zu schlagen. Pluspunkte: Freundinnen und Freunde von früher in der Nähe, die Ostsee ist nah (kein Sommer ohne Ostseeurlaub!) und ich muss meinen Akzent nicht mehr verstecken (wie damals im Studium).

Wie gestaltest du die Zukunft?

Queer, vom Land und ostdeutsch – da treffen ne Menge Dinge aufeinander, die miteinander verhandeln, sich verzahnen und für die Menschen, auch ich, bis heute Worte suchen. Als Podcaster schaue ich genauer hin und will die vermeintliche Unvereinbarkeit von queerem Leben im ländlichen Raum nicht so stehen lassen, lokale Strukturen stärken und jene Geschichten hörbar machen, die ich damals in meiner Jugend als Vorbilder gebraucht hätte – voller Umbrüche, schwieriger Zeiten, aber auch jeder Menge Solidarität, Liebe und vollwertiger Lebensentwürfe. Denn queeres Leben existiert auch jenseits der großen Städte!

  • 1990

    Magedburg

  • 2022

    Berlin

Glaubst du, deine Wende-Erfahrung bzw. die Wende-Erfahrung deiner Familie hat dich auch für den Digitalen Wandel gewappnet?

3 von 5
Stimme gar nicht zu
Stimme voll und ganz zu

Fühlst du dich Ostdeutsch?

Ostdeutsch zu sein heißt für mich, die Leistungen meiner Familie dankend anzuerkennen und nicht unsichtbar zu machen, das familiäre Schiff durch die wirre Zeit der 1990er zu manövrieren. Ostdeutsch sein heißt für mich, den Balanceakt zwischen tiefer Frustration und krasser Herzlichkeit zu beschreiten. Ostdeutsch sein heißt für mich, Frieden finden mit schmerzhaften Erfahrungen und krassen Narrativen über mich und uns und eigene Worte für die Lebensrealität zu finden. Ostdeutsch sein heißt für mich, bis heute die Wiedervereinigung kritisch zu hinterfragen. Ostdeutsch sein heißt für mich, Salzwedler Baumkuchen, Schierker Feuerstein und Brockenwanderungen.

Wie beeinflusst dich deine ostdeutsche Herkunft?

Ich empfinde mich selbst als eine sehr genügsame Person, die nichts als gegeben annimmt und bin überzeugt, dass dies auch aus meiner ostdeutschen Sozialisation kommt. Aber da ist auch Neid gegenüber Gleichaltrigen aus dem Westen und den Möglichkeiten, mit denen sie mitunter durch die Welt gehen (können). Für mich war es als Jahrgang 1990 oft eine krasse Erfahrung, für Westdeutsche zu ostdeutsch zu sein und für Ostdeutsche nicht ostdeutsch genug zu sein. Ich hab mich oft gefragt: In welche Gruppe passe ich denn nun rein? Und in all diesen großen und kleinen Irrungen und Wirrungen: Wie sollte ich da noch zu mir selbst als queere Person finden, wenn ich mich schon nur schwer verorten konnte?

Was wünscht du dir für Ostdeutschland?

Ich wünsche mir, dass Ostdeutschland (genau wie Gesamtdeutschland) mehr sichere Räume und Orte für queere Menschen schafft und all die ländlichen Regionen nicht davon ausgehen, dass es keine queeren Menschen bei ihnen vor Ort gibt. Auch das macht eine Region für alle lebenswerter und demokratischer, denn queere Rechte sind Menschenrechte. Sichtbarkeit muss immer mit Sicherheit einhergehen – physisch, psychisch und ökonomisch.