Florian Csizmadia
Florian Csizmadia ist 1976 in Mannheim geboren und später nach Ostdeutschland gezogen.
Rübergemacht: Florian wohnt aktuell in Stralsund, wo er als Dirigent und Musikwissenschaftler arbeitet.
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Weshalb hast du in den Osten rübergemacht?
Ich bin erstmals 1996 nach Ostdeutschland gezogen, um an der Hochschule für Musik in Dresden zu studieren. Grund hierfür war die fast schon legendäre ostdeutsche Kapellmeister-Tradition, die ich gerne an der Quelle studieren wollte. Beruflich führte mich mein Weg dann nach dem Studium 2001 zurück in den Westen. Erneut in den Osten gezogen, bin ich 2015, um ein Engagement am Theater Vorpommern anzutreten, wo ich bis heute tätig bin.
Wie gestaltest du die Zukunft?
Als Generalmusikdirektor des Philharmonischen Orchesters Vorpommern (Greifswald/Stralsund) leite ich eines der vier Berufsorchester in Mecklenburg-Vorpommern. Wir stehen in der jahrhundertealten kulturellen Tradition zweier Hansestädte, der wir uns verpflichtet fühlen und die wir mit unserer Arbeit fortschreiben wollen. Als Musiker bin ich ein kreativer Mensch und als solcher ist meine Arbeit nichts anderes als Gestaltung der Zukunft: Ich arbeite an der programmatischen Gestaltung und künstlerischen Qualität der Aufführungen des mir anvertrauten Orchesters, damit auch künftige Generationen noch Konzerte und Opernaufführungen erleben können.
Glaubst du, Menschen in Ostdeutschland können besser mit Veränderungen bzw. Wandel umgehen?
Fühlst du dich ostdeutsch?
Nein. Sicher mag es hier und da Mentalitätsunterschiede geben. Ich habe aber den Eindruck, dass das mittlerweile keine Frage mehr von Ost/West im Sinne von Ex-DDR/ BRD ist. Unterschiede gibt es auch zwischen Nord und Süd: Ich persönlich empfinde z. Bsp. zwischen meinen Wohnorten Stralsund und Hamburg viel mehr Gemeinsamkeiten in der Mentalität der Leute als z.B. zwischen Hamburg/Stralsund und Bayern. Das mag rein subjektiv sein, hat aber entscheidende Auswirkungen darauf, ob man sich ostdeutsch fühlt oder nicht. Ich fühle mich weder spezifisch ost- noch westdeutsch, sondern einfach nur deutsch – und als Musiker fühle ich mich ohnehin als Europäer.
Welche Erfahrungen hast du in Ostdeutschland gemacht?
Ich habe bei beiden Wechseln in den Osten ausschließlich positive persönliche Erfahrungen machen können, und auch mein Umfeld hat auf meine jeweilige Entscheidung positiv reagiert.
Glaubst du, Westdeutsche hatten nach der Wiedervereinigung im Osten Vorteile?
Das ist für mich sehr schwer zu beantworten. Aus meinem eigenen Erfahrungshorizont: Ich bin zum Musikstudium nach Ostdeutschland gegangen, und als Studenten waren wir irgendwie alle gleich und von denselben Ambitionen getragen: unsere individuellen Qualitäten in das Studium einzubringen und dieses möglichst gut zu absolvieren. Vor- oder Nachteile hatte zumindest in meinem Umfeld niemand nur aufgrund seiner ost- oder westdeutschen Herkunft.
Was hast du in Ostdeutschland gelernt?
Ich lerne bis zum heutigen Tag viele kleine Details des Lebens in der ehemaligen DDR kennen, insbesondere durch den persönlichen Kontakt zu älteren Kolleg*innen, die hier geboren und aufgewachsen sind. Das ist doch etwas anderes, als diese Dinge in einem Geschichtsbuch nachzulesen. Unbedingt positiv empfinde ich die Erfahrung, zu erleben, wie der Überlebenskampf im kulturellen Bereich, der gerade in Ostdeutschland leider in den vergangenen 30 Jahren immer wieder nötig war, die Musiker zusammengeschweißt hat.
Was wünschst du dir für Ostdeutschland?
Dass man irgendwann einmal aufhört, von Ost- und Westdeutschland mit einem wertenden Unterton zu sprechen. Dazu sollte man z. Bsp. mal die Lohnlücke zwischen Ost und West schließen.