Friederike Günther
Friederike Günther ist Kulturmanagerin und 1984 in Eisenhüttenstadt geboren, hat später in London gelebt.
Zurückgekehrt: Friederike wohnt heute in Erfurt.
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Weshalb bist du zurückgekehrt?
Zum Studieren bin ich nach Erfurt an die Uni (Kommunikationswissenschaft) gegangen und wiedergekommen, um an der Bauhaus-Universität in Weimar meinen Master zu beginnen. An Erfurt mag ich, dass aufgrund seiner überschaubaren Größe eine familiäre Verbundenheit zwischen Kultur-und Kunstschaffenden und deren Unterstützer*innen herrscht. Hier macht jedes selbst geschaffene Kulturangebot, jeder eroberte Frei-Raum noch einen Unterschied. Das mag aber auch eher was mit der Größe, als mit der geografischen Verortung zu tun haben. Sicherlich ziehen mich andere spannende Städte, wie z.B. Halle, an.Typischerweise sind diese eher im Osten als im Westen. Woran liegt das wohl?
Wie gestaltest du die Zukunft?
Als Teil von Plattform e.V. verstehen wir uns als Think Tank für übertragbare Modellvorhaben. Seit 2008 sind wir eine Ideenschmiede auf der Suche nach nachhaltigen Lösungen für gesellschaftliche Problemlagen und Fragestellungen. Aktuell beschäftigt uns u.a. die Frage nach Bleibeperspektiven im ländlichen Raum. Konkret unterstützen wir mit der Kulturhanse lokale Partnerorganisationen beim Aufbau gemeinwohlorientierter Gründungslabore in Thüringen, Sachsen und Sachsen-Anhalt. Das sind lebendige Orte, wo Visionärinnen und Initiativen in förderlichen Rahmenbedingungen Segel setzen können und z.B. Co-Working Spaces, Werkstätten, Quartierläden oder Cafés aufbauen, Vereine oder Unternehmen gründen.
Glaubst du, deine Wende-Erfahrung bzw. die Wende-Erfahrung deiner Familie hat dich auch für den Digitalen Wandel gewappnet?
Fühlst du dich Ostdeutsch?
Ich fühle mich mindestens als Europäerin, wenn nicht gar Weltenbürgerin. Das hat sicherlich was damit zu tun, dass ich kaum in der DDR, sondern eher in der EU sozialisiert wurde. Gleichzeitig frage ich mich: Wie kann man sich „ostdeutsch“ fühlen? Ich denke, das ist eine veraltete Kategorie, die der Mannigfaltigkeit unseres Mensch-Seins nicht entspricht. Viel wichtiger finde ich die Frage: Was können wir tun, um diese Konstrukte zu überwinden und Gemeinsamkeiten entdecken? Dafür sollten wir sicherlich mehr ins Gespräch kommen und „den“ vermeintlichen „Ossi“ und „Wessi“, ihre Leben und Leidenschaften, ihre Sorgen und Ängste kennenlernen.
Wie beeinflusst dich deine ostdeutsche Herkunft?
Sicherlich wurde ich in meiner Kindheit geprägt. Und ja, das fand bis zur Schulzeit in der DDR statt, die Rahmenbedingungen schuf. Typischerweise ging ich in Kinderkrippe- und garten. Typischerweise war meine Mutter berufstätig. Beeinflusst haben mich aber meine Familie und Freund*innen und deren Auseinandersetzung mit dem Systemwechsel. Dort gab es Brüche, Arbeitslosigkeit und vor allem Verlustängste. Wenn (Glaubens)Welten, die zwar dein Leben eingrenzten, aber Gewissheit schufen, Lebenswege vorzeichneten, einbrechen, dann geht jede*r anders damit um. Bis einzelne Familienmitglieder eine Chance in der Veränderung sahen, waren sie verständlicherweise irritiert und haltlos.
Was wünscht du dir für Ostdeutschland?
Im Kontext der Kulturhanse stellen wir fest, dass sich im ehemaligen Bereich der DDR (insbesondere in Sachsen, Thüringen und Sachsen-Anhalt) viele Menschen auf den Weg gemacht haben, Verantwortung für ihren Lebensort zu übernehmen, diesen selbst gestalten und Realitäten verändern wollen. Sie schaffen selbst (wirtschaftliche) Bleibeperspektiven, beleben Leerstand, schaffen Orte der Zusammenkunft. Davon wünsche ich mir mediale und monetäre Anerkennung. Sie sind Raumpionier*innen, von denen alle Bundesbürger*innen lernen können, denn Abwanderung aus ländlichen Gebieten ist ja überall Thema.