Gotthard Debelius
Gotthard Debelius ist 1939 in Ebsdorfergrund/Wittelsberg geboren und später nach Ostdeutschland gezogen.
Rübergemacht: Gotthard ist Rentner und wohnt aktuell in Neidhartshausen.
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Weshalb hast du in den Osten rübergemacht?
Ich habe schon zu DDR-Zeiten öfter die Leipziger Messe besucht und bei dieser Gelegenheit auch viele Denkmäler, Museen und andere Sehenswürdigkeiten bestaunt. Dabei sind mir auch die schönen Landschaften nicht verborgen geblieben und bei einer Wanderung habe ich auch die Rhön kennenlernen dürfen. Später habe ich dann in einer Zeitung die Annonce eines Fachwerkhauses gesehen und mich auf den Weg in die thüringische Rhön gemacht.
Wie gestaltest du die Zukunft?
Ich bin in der achten Generation selbstständiger Maler und bekam 2019 den goldenen Meisterbrief der Handwerkskammer Südthüringen. Neben Maler- und Putzarbeiten restaurierte ich hauptsächlich Fachwerkhäuser und Kirchen. Das älteste, 1640 gebaute Fachwerkhaus erwarb ich 1990 als Ruine und erweckte diese in ca. 2.000 Arbeitsstunden wieder zum Leben. Heute bin ich Rentner und engagiere mich in meiner Freizeit in vielen Vereinen (Feuerwehr, NABU, Fledermausdorf) und einer Bürgerinitiative (Rhön aktiv), um das Bestehende zu wahren und für Gerechtigkeit zu streiten. Weiterhin spiele ich gerne Drehorgel. So bereite ich Menschen in Kindergärten, Krankenhäusern und Altenheimen mit meiner Musik eine Freude.
Glaubst du, Menschen in Ostdeutschland können besser mit Veränderungen bzw. Wandel umgehen?
Fühlst du dich ostdeutsch?
Nein. Ost und West gibt es für mich nur als Himmelsrichtungen. Ich fühle mich als Deutscher und Europäer. Die Wende und die Wiedervereinigung waren für mich bewegende Zeiten, habe ich doch als Kind den Weltkrieg und die Nachkriegsjahre miterleben müssen. Es war ein großes Glück, dass die beiden deutschen Staaten friedlich wiedervereint wurden, auch wenn beiden Seiten durch die sich überschlagenden Ereignisse einige Fehler unterlaufen sind.
Welche Erfahrungen hast du in Ostdeutschland gemacht?
Ich habe schon in Hessen die Gebietsreform mit all ihren Problemen miterleben dürfen, vergebens dagegen gekämpft und aktuell passiert in Thüringen dasselbe in grün. Es ist sehr frustrierend, erneut mitzuerleben, wie durch politische Entscheidungen gerade in meiner neuen Heimat Streit und Misstrauen unter den Menschen gesät wird.
Glaubst du, Westdeutsche hatten nach der Wiedervereinigung im Osten Vorteile?
Das kann ich pauschal nicht beantworten. Wahrscheinlich gab es Bereiche, in denen Ostdeutsche Vorteile hatten – und in anderen Westdeutsche. Ich finde, im Grunde sollten wir alle froh sein, dass es die Wiedervereinigung gab und dass diese so friedlich verlaufen ist.
Was hast du in Ostdeutschland gelernt?
Ich habe die herrliche Landschaft und die freundlichen Menschen in mein Herz geschlossen, mein Fachwerkhaus restauriert und bei vielen anderen Fachwerkhäusern in der Umgebung mitgeholfen, diese zu verschönern. Durch meine berufliche und ehrenamtliche Arbeit habe ich sehr viele Menschen kennengelernt und auch gute Freundschaften knüpfen können.
Was wünschst du dir für Ostdeutschland?
Für die Menschen im ländlichen Raum wünsche ich mir eine gerechtere Behandlung im Vergleich zu den Städten, z. Bsp. ältere Menschen, die wie ich alleine leben, könnten auch Unterstützung gebrauchen, um Ihren Alltag in gewohnter Umgebung so lange wie möglich selbstständig zu gestalten – finanziell oder durch Bürgerhilfen bei Arztbesuchen oder Behördengängen usw..
Außerdem ist eine Angleichung der Löhne nach 30 Jahren wünschenswert.
Für eine bessere Zusammenarbeit zwischen alten und neuen Bundesländern wäre ein umfassender Erfahrungsaustausch wichtig, um Bilanz zu ziehen, Fehler zu erkennen und wiedergutzumachen. Jetzt leben noch mehrere Vorwendegenerationen, die ihre Erfahrungen einbringen können.