Wir sind der

Osten

Greta Taubert

Greta Taubert ist Autorin und 1983 im Thüringer Wald geboren.

Zurückgekehrt: Greta lebt heute in Berlin.

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Weshalb bist du zurückgekehrt?

Der Wald ist nicht genug. Ich wollte mich in die bunten Städte stürzen und das bunte Leben kennenlernen. Dabei habe ich mich etappenweise vorgearbeitet: über Ilmenau, Erfurt und Leipzig nach Berlin und schließlich Hamburg. Von dort wieder nach Leipzig zurück. Es war eine Schleife, in der es weniger um ostdeutsche Identität als um freie Entfaltung ging. Ich bin immer dorthin gezogen, wo ich jeweils die größte Freiheit hatte, zu lernen, zu schreiben und zu recherchieren, was mich interessiert.

Wie gestaltest du die Zukunft?

Die Welt befindet sich in rasantem Wandel: Die Erde erwärmt sich, die Ressourcen werden knapp, das Wohlstandssystem wankt. In meinen Büchern und Reportagen möchte ich diese Veränderungen nicht nur beschreiben, sondern sie auch zu meinem persönlichen Anliegen machen. Wie können wir wirtschaften ohne Wachstumszwang? Wie können wir arbeiten ohne Leistungsdruck? Wie können wir leben ohne Angst?
Die Antworten darauf erfordern eine friedliche Revolution unserer Glaubensgrundsätze.

  • 1983

    Thüringer Wald

  • Berlin

  • Hamburg

  • 2019

    Leipzig

Glaubst du, deine Wende-Erfahrung bzw. die Wende-Erfahrung deiner Familie hat dich auch für den Digitalen Wandel gewappnet?

1 von 5
Stimme gar nicht zu
Stimme voll und ganz zu

Fühlst du dich Ostdeutsch?

Dass ich einen Stempel von einer untergegangen Republik auf der Geburtsurkunde habe, ist ein merkwürdiges Gefühl. Es verbrieft, dass da mal etwas war, dass es jetzt nicht mehr gibt: eine Idee, ein System, eine Erzählung. Diese Erfahrung des Umbruchs ist etwas, dass für mich sehr wesentlich ist. Systeme können scheitern! Zwar war ich zur Wendezeit zu jung, aber die biografischen Brüche im Umfeld, in der Familie, bei Freunden und Nachbarn sind für mich ein Teil der Normalität. Dass sich die Erwachsenen eben so durchschlagen, dass das Geld immer knapp ist, dass die Wohnblocks immer leerer werden, dass alle sich eben so durchlavieren – und dass es irgendwie weitergeht.

Wie beeinflusst dich deine ostdeutsche Herkunft?

Als ich einmal mit meiner ganzen Familie am Esstisch saß, ist mir aufgefallen, dass alle meine Vorfahren einen Systemwechsel miterlebt haben. Drei Generationen, drei Ideologien, drei Untergänge. Ein Schock! War ich die Nächste, die es sich in einem zum Scheitern verurteilten System eingerichtet hat? Die Hinweise darauf, dass sich der wachstumsgetriebene Kapitalismus überholt hat, verdichten sich im Moment rasant. Die Klimakatastrophe zwingt uns zu einer Kehrtwende. Für mich persönlich fühlt sich dieser Gedanke gar nicht so schlimm an. Ist schließlich Familientradition. Deswegen beschäftige ich mich in meiner journalistischen Arbeit mit Utopien und wie wir in Zukunft zusammen leben können.

Was wünscht du dir für Ostdeutschland?

Dass in der DDR Materialien getauscht, Dinge repariert, sich gegenseitig geholfen wurde, lag ja nicht daran, dass dort bessere Menschen gelebt haben. Es war der ökonomische Mangel. Rückblickend erzählen viele von einem besonderen Gemeinschaftsgefühl, der genau daraus entstanden war. Ich würde mir wünschen, dass wir dieses Gefühl wiederbeleben können. Denn es sind genau diese resilienten kleinen Gemeinschaften, die uns auch bei den drängenden ökologischen Problemen der Jetzt-Zeit helfen können – und nebenbei wieder mehr Verbundenheit herstellen.