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Osten

Hans Martin Lösch

Hans Martin Lösch

Hans Martin Lösch ist 1986 in Rendsburg geboren und später nach Ostdeutschland gezogen.

Rübergemacht: Hans Martin wohnt aktuell in Grambow, wo er als Agrarwissenschaftler arbeitet.

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Weshalb hast du in den Osten rübergemacht?

Die Wiedervereinigung bot eine einmalige Chance, den Traum vom Leben auf einem eigenen Landwirtschaftsbetrieb zu verwirklichen. Als nach kurzer Zeit klar war, dass ehemalige Familienbetriebe nicht restituiert wurden, haben wir uns an Treuhandausschreibungen beteiligt und schließlich den Zuschlag für das knapp 380 Hektar große ehemalige VEG Grambow bekommen. Auf dieser Grundlage entstand über die Jahre eine komplexe Firmengruppe im Bereich Landwirtschaft, Forstwirtschaft, Bioenergie, Jagdausbildung, Tourismus und Handel. Für mich und meine Familie mit vier Kindern ist Mecklenburg in nun über 27 Jahren zur neuen Heimat geworden.

Wie gestaltest du die Zukunft?

Wir bewirtschaften einen landwirtschaftlichen Familienbetrieb mit rund 4.000 Hektar im Westen Mecklenburgs. Unser Ziel ist dabei, nicht nur ökonomisch erfolgreich zu wirtschaften, sondern auch nachhaltig und naturschutzkonform. Dazu haben wir uns dem europäischen Wildlife Estate Label angeschlossen. Der Grünlandbetrieb ist als ökologischer Landbaubetrieb zertifiziert. Mit der Gut Grambow Fieldsports GmbH nutzen wir unseren Betrieb für die Jagdausbildung in der Jagdschule Gut Grambow und touristische Angebote rund um Jagd und Natur. Das Hofrestaurant Schmiede 16 verwendet überwiegend Produkte aus unserer Region und unserem Betrieb. In über 30 Zimmern können unsere Gäste auf dem Hof übernachten.

  • 1968

    Rendsburg

  • Berlin

  • London

  • 2020

    Grambow

Glaubst du, Menschen in Ostdeutschland können besser mit Veränderungen bzw. Wandel umgehen?

3 von 5
Stimme gar nicht zu
Stimme voll und ganz zu

Fühlst du dich ostdeutsch?

Nein. Ich würde mich schon als recht geprägt durch meine 27 Jahre Mecklenburg beschreiben, aber meine Jugend war durch mein Aufwachsen in Schleswig-Holstein und familiär international geprägt. Damit kann ich mich schwerlich als ostdeutsch beschreiben.

Welche Erfahrungen hast du in Ostdeutschland gemacht?

Da ich mit 24 Jahren nach Mecklenburg gekommen bin, war ich recht schnell in das Dorfleben integriert, trotz der häufigen deutlichen Ablehnung gegenüber Wessis. Für meine Kinder war und ist es erstaunlicherweise schon schwerer, wirkliche Freunde im Dorf bzw. in der Region zu finden. Hier hat sich eher eine Gruppe aus Menschen zusammengefunden, die in den frühen 90ern neu zugezogen sind, die über die gemeinsamen Probleme und Lebensphasen eng zusammengewachsen sind. In dieser Gemeinschaft sind die Kinder integriert. Langsam bessert sich dies aber, da gerade auf weiterführenden Schulen die Gemeinschaft offener ist. Ein wirkliches Zusammenwachsen wird aber noch dauern.

Glaubst du, Westdeutsche hatten nach der Wiedervereinigung im Osten Vorteile?

Heute hat sich die Situation nach meiner Empfindung entspannt. Gerade in den jüngeren Generationen wird die Ossi-Wessi-Frage gar nicht mehr gestellt oder diskutiert. Und das ist auch gut so.

Was hast du in Ostdeutschland gelernt?

Bescheidenheit und Improvisationsgabe sind sicher Kernkompetenzen hier. Menschlichkeit ist ebenfalls häufig zu finden und Freundschaften sind sehr ehrlich und tief. Gerade in den Anfangsjahren war die Freiheit, Dinge anzufassen und aufzubauen sehr viel ausgeprägter als in den eingefahrenen Strukturen des Westens. Allgemein ist die Gesellschaft gerade hier in Mecklenburg-Vorpommern angenehm bodenständig und unaufgeregt.

Was wünschst du dir für Ostdeutschland?

Mehr Offenheit für Neues und die Welt an sich.