Wir sind der

Osten

Holger Adams

Holger Adams

Holger Adams ist 1964 in Vechta geboren und später nach Ostdeutschland gezogen.

Rübergemacht: Holger wohnt aktuell in Michendorf. Er ist Personalleiter.

Foto: Bettina Volke

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Weshalb hast du in den Osten rübergemacht?

Vor dem Umzug hatte ich bereits zehn Jahre in Berlin gelebt. Insofern war mir das Umland in Brandenburg schon recht vertraut. Mit dem Auszug der Kinder aus dem Haus kam der Wunsch, eine Immobilie abseits des Trubels der Großstadt zu finden und nahe der Natur zu leben – gleichzeitig aber auch die Nähe zur Stadt zu behalten. Ostdeutschland als Region ist aus meiner Sicht mittlerweile der schönere Teil der beiden Hälften. Es ist bei weitem nicht so zersiedelt wie Westdeutschland und bietet attraktive Wohnmöglichkeiten zu noch moderaten Preisen. Die Natur ist mitunter atemberaubend.

Wie gestaltest du die Zukunft?

Ich arbeite seit zehn Jahren als selbstständiger Personalleiter und helfe Firmen – zur Zeit fast ausschließlich in Ostdeutschland – bei Projekten im Personalbereich oder auch bei notwendigen Restrukturierungen. Oft sind dies die lokal größten Arbeitgeber – und ein Erhalt oder eine Entwicklung ist maßgeblich für eine Wirtschaftsregion. Ich bringe aber auch über 15 Jahre internationale Erfahrung mit. Das hilft, regionale kulturelle Unterschiede sensibel zu erkennen und Bedürfnisse zu verstehen. Ziel ist immer, eine Win-win-Situation für alle Beteiligten zu erzielen.

Ich möchte dazu beitragen, dass sich die wirtschaftliche Situation in Ostdeutschland weiter maßgeblich verbessert.

  • 1964

    Vechta

  • Paderborn

  • Frankfurt am Main

  • Nürnberg

  • Heidelberg

  • Berlin

  • 2020

    Michendorf

Glaubst du, Menschen in Ostdeutschland können besser mit Veränderungen bzw. Wandel umgehen?

3 von 5
Stimme gar nicht zu
Stimme voll und ganz zu

Fühlst du dich ostdeutsch?

Nein. Meine Wurzeln liegen in einer Kleinstadt in Niedersachen. Es ist eine sehr bodenständige Gegend. Damals gab es als Dauerdiskussion das Nord-Süd-Gefälle in der Bundesrepublik. Die Wahrnehmung war wohl ähnlich wie heute bei der Ost-West-Differenzierung. Da ich später auch international gearbeitet habe, fühle ich mich heute eher als Europäer mit Wurzeln in einer norddeutschen Kleinstadt. Der einzig nennenswert wichtige Punkt bei der Differenzierung Ost-West ist die Berücksichtigung, dass Menschen in meiner Altersklasse in unterschiedlichen Systemen sozialisiert wurden. Dieser Aspekt ist wichtig, wenn man einen gemeinsamen Nenner finden möchte.

Welche Erfahrungen hast du in Ostdeutschland gemacht?

Ich habe keine wesentlichen Unterschiede im täglichen Leben zwischen Ost und West ausmachen können. Viele Dinge, die von Ostalgikern postuliert werden, waren damals im Westen auch nicht anders. Bis zum meinem 16. Lebensjahr konnten wir daheim nur zwei Fernsehkanäle empfangen, bis zu meinem 18. Lebensjahr hatten wir kein Telefon. Die materielle Schere ging aus meiner Sicht erst in den 80er-Jahren auseinander.

Verwundert bin ich immer wieder, dass ich die oft beschworene Solidarität als Kulturgut zwischen den Bürgern bzw. Arbeitnehmern oft gerade nicht in ostdeutschen Firmen vorfinde. Die ist manchmal im Westen sogar stärker ausgeprägt.

Glaubst du, Westdeutsche hatten nach der Wiedervereinigung im Osten Vorteile?

Bei Maueröffnung entstand im Westen eine Art Goldgräberstimmung. Oft gingen aber genau die Mitmenschen in den Osten, die auch im Westen schon nicht gerne gesehen waren. Dass diese dann ein schlechtes Bild des Wessis abgegeben haben, ist nicht verwunderlich. Dies prägte sicher eine Menge der Vorurteile über Westbürger.

Diese Westdeutschen hatten sicherlich Vorteile, wenn es darum ging, sich in der freien Wirtschaft zu behaupten und Erfolge zu erzielen. Die Geschwindigkeit der Integration ohne echte Beteiligung war schlicht zu hoch für die meisten Bürger – auf beiden Seiten.

Was hast du in Ostdeutschland gelernt?

Ich habe viel über die Geschichte Deutschlands gelernt – über die Zeit vor und während der Trennung. Ich habe spannende Menschen mit interessanten Lebensläufen kennengelernt. Und mir ist auch bewusst geworden, dass die Region geschichtlich so viel zu bieten hat, dass man sich eben nicht vor dem Westen verstecken muss oder Minderwertigkeitskomplexe haben sollte.

Verwundert bin ich nach wie vor über die Fremdenfeindlichkeit, die sich oft artikuliert. Dabei ist der Teil der Ausländer im Vergleich zum Westen deutlich geringer – und die negativen Erfahrungen beruhen meistens auf ein paar Einzelfällen.

Was wünschst du dir für Ostdeutschland?

Ich wünsche mir, dass die positive Entwicklung der letzten Jahre sich fortschreibt und der Osten sich weiter entwickelt. Gut wäre auch, wenn die Menschen hier begreifen würden, dass es mittlerweile an vielen Orten und auch in Aspekten des täglichen Lebens hier lebenswerter ist. Die latente Unzufriedenheit sollte verschwinden. Ich hoffe, dass es bald die Unterscheidung zwischen Ost und West nicht mehr gibt und sie aus den Köpfen verschwunden ist. Hoffnung macht mir dabei, dass es schon bei der Generation meiner Kinder überhaupt keine Rolle mehr spielt.