Wir sind der

Osten

Ina Raki

Ina Raki ist Autorin, Lektorin und Schreibberaterin und 1968 in Wurzen geboren.

Gegangen: Ina wohnt aktuell in Schleiden (NRW).

Foto: privat

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Weshalb bist du gegangen?

Ich habe Ende 1990 einen jungen Mann aus Oberbayern kennengelernt. Aus
privaten und beruflichen Gründen haben wir uns entschieden, nicht in Leipzig, sondern in Rosenheim zusammen zu leben.
Vor allem waren die Berufsaussichten für mich in Leipzig mittelmäßig, für ihn relativ aussichtslos. Ich habe in Bayern nochmal einen komplett neuen Beruf gelernt, da mein FS-Studium (Unterstufenlehrerin, abgeschlossen im Sommer 1989) nach der Wende in den alten Bundesländern nicht anerkannt war. Nach Ende der Beziehung bin ich in Bayern geblieben und erst 2017 nach NRW umgezogen.

Wie gestaltest du die Zukunft?

Ich gestalte Medien für Jugendliche, in denen sie vielseitige Figuren jenseits von Klischees finden (Jugendbücher, Schullektüren etc.) – alles möglichst barrierefrei, um auch die zu erreichen, die nicht gern oder gut lesen.
In meinem aktuellen Jugendbuch „Wir sehen uns im Gestern“ reist die 14-jährige Protagonistin aus dem Heute in die DDR der 1980er – ein Versuch, Jugendlichen die damalige DDR unterhaltsam nahe zu bringen und zu Gesprächen rund um dieses Thema anzuregen.
Schreiben und schriftlich kommunizieren zu können, hat meiner Meinung nach viel mit Teilhabe zu tun. Als Schreibberaterin helfe ich Menschen, größere Schreibprojekte erfolgreich zu bewältigen, vermittle ihnen Kenntnisse und Strategien, die sie kompetent in diesem Bereich machen. Auch in meiner Freizeit unterstütze ich Menschen bei verschiedensten Schreibprojekten
  • 1968

    Wurzen

  • 1985

    Leipzig

  • 1991

    München und Oberbayern

  • 2017

    Schleiden (Eifel)

Glaubst du, deine Wende-Erfahrung bzw. die Wende-Erfahrung deiner Familie hat dich auch für den Digitalen Wandel gewappnet?

3 von 5
Stimme gar nicht zu
Stimme voll und ganz zu

Fühlst du dich Ostdeutsch?

Ich war zur Wende 21 Jahre alt und bin bis zu diesem Zeitpunkt DDR-geprägt gewesen. Nach all den Jahren habe ich deshalb auch heute noch einen starken Bezug zu den ostdeutschen Bundesländern. Es stört mich, dass so vieles, was vor allem direkt nach der Wende lief, nicht im Diskurs vorkommt. Dass 30 Jahre Nachwendezeit nicht thematisiert werden, wenn über Menschen im Osten gesprochen wird.

Wie beeinflusst dich deine ostdeutsche Herkunft?

Ich habe bei vielen Themen das Gefühl, ich weiß auch, wie es anders gehen könnte, zum Beispiel bei Aspekten der Gleichberechtigung, des sozialen Miteinanders, die für im Westen sozialisierte Menschen oft nicht mal diskutierbar scheinen. Die Wende 1989 mitzuerleben, war ein sehr bestärkendes Gefühl – auch wenn im Nachgang sehr viel schiefgelaufen ist. Der 9. Oktober auf dem Leipziger Ring hat mir zum ersten Mal in meinem Leben das Gefühl gegeben: Zusammen können wir etwas ins Positive verändern, auch wenn das vorher unmöglich schien. Meine Eltern und deren Generation sehe ich als Verlierende der Nachwendezeit. Sie hatten oft keine Option auf einen Neuanfang, gleichzeitig wurde ihr gesamtes Leben „entwertet“.

Was wünscht du dir für Ostdeutschland?

Nach 30 Jahren endlich als gleichberechtigter Teil Deutschlands behandelt zu werden (das muss sich sowohl im Diskurs zeigen als auch bei der Besetzung relevanter Positionen in Politik und Wirtschaft, in Lohngerechtigkeit, arbeitsrechtlichen Fragen usw.). Anerkennung und Aufarbeitung der Themen, die nach 1989 schiefgelaufen sind (siehe Treuhand). Und für die Menschen: Berufliche und persönliche Perspektiven, eine ordentliche Infrastruktur, vor allem im ländlichen Bereich und eine Politik, die das alles umsetzt und sich konsequent gegen Rechts ausrichtet.