Wir sind der

Osten

Ivy Bieber

Ivy Bieber ist Koordinatorin des Integrativen Zentrums Futura e.V. in Altenburg, 1973 in Lutherstadt Eisleben geboren und in Schmölln sowie Beerwalde aufgewachsen.

Geblieben: Ivy wohnt heute in Altenburg.

Foto: Martin Neuhof

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Weshalb bist du geblieben?

Warum hätte ich weggehen sollen? Um mehr Geld zu verdienen? Ich hänge nicht besonders an materiellen Dingen und brauche keine Unmengen an Geld. Mich reizen keine ausgetretenen Pfade, keine Sicherheiten, kein entspanntes Leben. Ich liebe neue Herausforderungen, Wege, die noch niemand oder nur wenige gegangen sind, kreative Lösungen. Gerade das Altenburger Land, welches seit früher Kindheit mein Wohnbereich wurde, bietet viele Herausforderungen, aber auch viele Möglichkeiten. Hier kann ich zusammen mit den Menschen etwas bewegen, etwas Neues erschaffen, Perspektiven aufzeigen. Das ist großartig.

Wie gestaltest du die Zukunft?

Ich bin Koordination eines integrativen Zentrums, welches vor allem in der Sozialarbeit, der präventiven Arbeit, der integrativen Arbeit vor Ort und der Projektarbeit tätig ist. Neben Planungs-, Organisations- und Abrechnungsprozessen entwickle und halte ich gemeinsam mit den jeweils Beteiligten (gleich welcher Nationalität) Schulungen, Workshops und Vorträge und bin Ansprechpartnerin für alles und jeden. Weiterhin schreibe und inszeniere ich mit LaiendarstellerInnen aus mehreren Ländern Theaterstücke zu verschiedenen Themen, so u.a. über die Flüchtlingssituation im Altenburger Land, Gleichstellung und Ausgrenzung in einem Matriarchat oder auch über das Gefühlsleben von Transidenten.

  • 1973

    Lutherstadt Eisleben

  • Heute

    Altenburg

Glaubst du, deine Wende-Erfahrung bzw. die Wende-Erfahrung deiner Familie hat dich auch für den Digitalen Wandel gewappnet?

4 von 5
Stimme gar nicht zu
Stimme voll und ganz zu

Fühlst du dich Ostdeutsch?

Ich fühle mich als Mensch. Ich habe in meinem Leben so viele Menschen unterschiedlichster Herkunft kennenlernen dürfen und habe dabei gelernt, dass die Wünsche, Ängste, Ziele und Hoffnungen dieser grundsätzlich gleich sind. Überall gibt es freundliche und aggressive, fleißige und trägere, rücksichtsvolle und rücksichtslose Personen. Ich mag die Gegend, wo ich lebe und habe auch nichts dagegen, als Ostdeutsche bezeichnet zu werden. So war ich bereits in Thüringen, Sachsen-Anhalt und Sachsen tätig, aber das Ich-Sein verbinde ich persönlich nicht mit Orten oder Gegenden.

Wie beeinflusst dich deine ostdeutsche Herkunft?

Ich bin transident. Ohne die Wende hätte ich meine körperliche Angleichung wohl schwerlich vollziehen können. Allerdings verlor ich, wie so viele, sofort meinen Job. Mein vorher leichter Lebensweg (abgesehen von der inneren Zerrissenheit als Transidentin) wurde nun sehr steinig. Doch so lernte ich viele Perspektiven kennen, ich arbeitete für 2 DM auf dem Bauhof, stand vor dem Sozialamtstresen und saß bald dahinter. Ich lauschte Vorträgen und nahm an Weiterbildungen teil, um dann selbst zu unterrichten, Weiterbildungen zu konzipieren und Einrichtungen zu leiten. So weiß ich, wie sich Menschen an den verschiedenen Positionen fühlen und kann dazu beitragen, ihre Situation zu verbessern.

Was wünschst du dir für Ostdeutschland?

Für die Menschen Ostdeutschlands wünsche ich mir mehr Glauben an sich selbst und daran, dass die allermeisten Mitmenschen ihnen nicht schaden wollen. Ich verstehe die Frustration darüber, dass sich seit 1989 viele Wünsche nicht erfüllten. Fast dasselbe erlebe ich jetzt bei Geflüchteten, die in Deutschland eine „goldene Welt unbegrenzter Möglichkeiten“ sahen und nun auf den Boden der Tatsachen zurückgeholt wurden. Es ist nicht das Luxusleben, was ihnen so mancher andichten mag. Ich sehe hier viele Gemeinsamkeiten, die verbinden und nicht trennen sollten. Sie aufzuzeigen, das Leben hier für alle gemeinsam zu verbessern, dabei zu geben und zu fordern, das ist mein Bestreben.