Wir sind der

Osten

Jesta Phoenix

Jesta Phoenix ist Business Coach und 1976 in Leningrad geboren und in Henningsdorf bei Berlin aufgewachsen.

Zurückgekehrt: Jesta lebt heute in Berlin. Mehr über Jesta erfährst du auf ihrer Website.

Foto: Sabine Kristan

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Weshalb bist du zurückgekehrt?

Ich bin nach Deutschland zurückgekommen, obwohl ich eigentlich für immer gehen wollte. Das hatte aber eher persönliche & familiäre Gründe. Zurückgekommen bin ich nach Berlin, weil ich hier für mich noch etwas klären wollte. Weil es kein ‚weg‘ gibt, wohin man gehen kann. Weil es keine Freiheit auf der Welt gibt, wenn man nicht die Freiheit hat zurück zu gehen. Beim letzten Mal bin ich wegen der Liebe zurückgekommen. In Berlin war mir das Ost-West-Ding nicht so bewusst. Meine Frau und ich sind von Neukölln nach Friedrichshagen gezogen wegen des Müggelsees. Dass ich mich im Ostteil wohler fühle, merke ich erst, wenn ich darüber nachdenke. Ob ich für immer in Deutschland bleibe, weiß ich nicht.

Wie gestaltest du die Zukunft?

Ich begleite als Slow Business Coach Menschen dabei, ihre Art des Arbeitens zu finden, die alles mit einschließt – ihren Arbeitsstil, ihre Familiensituation, ihre Visionen… Ich glaube an das glückliche Arbeiten. Nicht als etwas, das danach kommt, wenn wir genug Umsatz, genug Aufträge haben. Glückliches Arbeiten als ganz eigene Kombination von Sinn & Vergnügen ist die Basis dafür, dass wir etwas von nachhaltigem Wert erschaffen. Und damit auch uns selbst erhalten. Dass wir unsere Werte durch unsere Arbeit in die Welt träumen, ohne uns dabei selbst gegen die Wand zu fahren. Dafür stehe ich nicht nur mit meiner Arbeit, sondern auch mit meinem Auftreten in der Öffentlichkeit.

  • 1976

    Leningrad

  • Henningsdorf

  • Birmingham

  • Washington

  • London

  • Leicester

  • 2019

    Berlin

Glaubst du, deine Wende-Erfahrung bzw. die Wende-Erfahrung deiner Familie hat dich auch für den Digitalen Wandel gewappnet?

5 von 5
Stimme gar nicht zu
Stimme voll und ganz zu

Fühlst du dich Ostdeutsch?

Weil ich jede Art Zugehörigkeit dringend brauche. Die beiden Länder, in denen ich aufgewachsen bin (DDR & Sowjetunion) gibt es nicht mehr. Selbst die Stadt, in der ich geboren wurde, heißt jetzt anders. Mein ganzes Leben lang habe ich immer ein bisschen dazugehört. Aber nie ganz. Ich fühle mich ostdeutsch. Aber nicht nur ostdeutsch. Es gibt eine ganze Menge von Gruppen, mit denen ich etwas teile: Aufgewachsen zwischen zwei Kulturen, im Osten groß geworden, Austauschschülerin, Schulabbrecherin, Autodidaktin, Regenbogen-Mama, Legasthenikerin… Ich gehöre überall ein bisschen dazu, aber nie ganz, weil immer etwas doch etwas anders ist. Das bisschen ostdeutsch will ich auf jeden Fall behalten.

Wie beeinflusst dich deine ostdeutsche Herkunft?

Ich erwarte nicht, dass alles immer so bleibt, wie es war. Ich bin wandlungsfähiger und finde immer wieder ein neues Zuhause in sich verändernden Situationen. Das wirkt sich auch auf ganz praktische McGyver-Fähigkeiten im Alltag aus – nicht nur weil wir es gewohnt sind, mit dem auszukommen, was da ist. Sondern auch, weil wir uns selbst verantwortlich und fähig fühlen, unsere Situation mitzugestalten und zu verändern. Wir warten nicht, bis jemand kommt und das für uns macht. Die Wende, die ich mit 13 erlebt habe und auch mein Austauschjahr in den USA kurz danach haben in ihrer Kombination sehr viel bewirkt – ein ganz partizipatives Verständnis von Demokratie. Nichts ist selbstverständlich.

Was wünscht du dir für Ostdeutschland?

Mehr Vertrauen in die eigene Stimme. Mehr selbstverständliches Einbringen unserer Vergangenheit in den Alltag. Kein Verschweigen und Schämen. Wenn auf Facebook ein Post für die ‚Kinder der 70er‘ gezeigt wird mit Dingen, die allein für die ehemalige BRD typisch waren und das dann einfach so für alle steht, braucht es, dass wir uns und unser Erleben mit hinzufügen. Mit der gleichen Selbstverständlichkeit. Deutschland wird erst vereint sein, wenn Deutsche Geschichte immer auch die DDR miteinschließt und nicht Sonderfaktor bleibt.
Es ist Zeit für ein Umarmen all der Komplexität – jenseits von Stasi und Bananen Klischees.