Wir sind der

Osten

Josephine Fabian

Josephine Fabian ist Schauspielerin und Filmemacherin und 1983 in Suhl geboren, in Meiningen und Berlin aufgewachsen, hat später in Hannover und Australien gelebt.

Zurückgekehrt: Josephine wohnt heute in Berlin.

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Weshalb bist du gegangen?

Ich bin gegangen, weil ich einen Studienplatz in Hannover bekommen habe und weil für mich die Gentrifizierung und damit enorme Veränderung im Prenzlauer Berg sehr wütend gemacht hat. Die Distanz hat mir geholfen. In Australien war ich für das Abenteuer und die Liebe. Es hat mir gezeigt, wie deutsch oder sogar ostdeutsch ich eigentlich bin, was mir nicht klar war.

Wie gestaltest du die Zukunft?

Als freischaffende Filmemacherin und Schauspielerin setze ich mich mit aktuellen politischen und gesellschaftlichen Entwicklungen auseinander und versuche, Zusammenhänge menschlichen Handelns und Scheiterns in einem künstlerischen Kontext erfahrbarer/begreifbarer zu machen, so dass wir im besten Fall zu größerem Verständnis gelangen und dadurch handlungsfähig werden. Ich arbeite im Kollektiv und sehr gern mit Jugendlichen.

  • 1983

    Suhl

  • Meiningen

  • Berlin

  • Hannover

  • Australien

  • 2019

    Berlin

Glaubst du, deine Wende-Erfahrung bzw. die Wende-Erfahrung deiner Familie hat dich auch für den Digitalen Wandel gewappnet?

2 von 5
Stimme gar nicht zu
Stimme voll und ganz zu

Fühlst du dich Ostdeutsch?

Warum ich mich ostdeutsch fühle, ist schwer zu sagen. Es ist eine Mentalität, die mir nahe ist. Ich war sechs, als die Mauer fiel und ich habe den Sozialismus nie bewusst erlebt. Trotzdem kommt mir der Kapitalismus immer noch fremd vor. Werte wie Bescheidenheit, Ehrlichkeit, Unverstelltheit scheinen mir mehr mit dem Osten verbunden. Es ist schwer zu greifen. Auf der negativen Seite begegnet mir oft mangelndes Selbstbewusstsein bei mir und anderen.

Wie beeinflusst dich deine ostdeutsche Herkunft?

Ich glaube, ein anderes Gesellschaftssystem kennen gelernt zu haben ist sehr viel wert. Der Kapitalismus scheint dadurch überwindbar. Auch wenn ich nicht weiß, was an seine Stelle tritt, kann ich mir trotzdem vorstellen, dass es ein anderes Leben geben kann. Für meinen Vater war die Wende das Öffnen seiner Gefängniszelle und für meine Mutter der Verlust von Sicherheit, Sinn und Wertschätzung. Zwei Positionen, die sich direkt gegenüber stehen. Ich kann beide nachvollziehen. Ich wünsche mir die DDR nicht zurück, aber ich sehne mich nach etwas jenseits unseres jetzigen Systems.

Was wünscht du dir für Ostdeutschland?

Ich wünsche mir, dass die Menschen sich an den eigenen Haaren aus dem Sumpf ziehen. Dass sie nicht mehr auf das Einlösen des Wohlstandversprechens warten und sich auf die Dinge konzentrieren, die Freude und Sinn spenden. Dass sie das Selbstbewusstsein und die Kraft finden, selbstbestimmt und -verantwortlich Entscheidungen zu treffen und ihre Rechte wahrzunehmen. Auch dass keine Diskriminierung gegen Ostdeutsche mehr statt findet und auch das Nach-unten-treten gegen Schwächere oder Marginalisiertere aufhört.