Julia Rückert
Julia Rückert ist in München geboren und später nach Ostdeutschland gezogen.
Rübergemacht: Julia wohnt aktuell in Halle, wo sie als freischaffende Künstlerin tätig ist.
Foto: Simon Horn
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Weshalb hast du in den Osten rübergemacht?
Ich bin 2007 zum Studieren nach Halle gekommen. Ich wollte unbedingt an die Burg Giebichenstein und Bildhauerei studieren. Danach bin ich mit meinem Lebensgefährten (der auch aus Süddeutschland kommt) hier „hängengeblieben“. Unser Sohn ist hier geboren, wir haben hier Freunde, Familie und sehr nette Nachbarn. Unsere Wohnung und meine Werkstatt sind bezahlbar und ich fühle mich hier zu Hause. Das ist aber etwas anderes als „daheim“. Mein Herz sehnt sich danach, irgendwann wieder nach Bayern zu ziehen.
Wie gestaltest du die Zukunft?
Ich bin Bildhauerin und arbeite vorwiegend mit Keramik. Meine Werkstatt befindet sich ziemlich zentral in Halle, was wiederum ziemlich genau in der Mitte von Deutschland liegt, ein strategisch günstiger Ausgangspunkt für die Teilnahme an nationalen Ausstellungen und Messen. Im Berufsverband Bildender Künstler Sachsen-Anhalt setze ich mich für bessere Bedingungen für Künstler* innen ein.
Glaubst du, Menschen in Ostdeutschland können besser mit Veränderungen bzw. Wandel umgehen?
Fühlst du dich ostdeutsch?
Nein. Ich fühle mich eher süddeutsch.
Welche Erfahrungen hast du in Ostdeutschland gemacht?
Viele meiner Freunde sind auch aus München weggezogen und meine Eltern sind nur ein bisschen traurig, dass wir so weit weg sind. Mein Vater stammt gebürtig aus Meckburg-Vorpommern. Ich bin also selbst ein halber Ossi. Halle hat sich, seit ich hier wohne, sehr verändert. Viele Häuser sind jetzt saniert und haben dadurch leider auch ihren Charme verloren. Bis vor zwei Jahren haben wir noch mit Kohle geheizt, das konnte ich mir vorher auch nicht vorstellen. Leider wurde unser Haus verkauft und gehört jetzt einer der größten Wohnungsgesellschaften Deutschlands, die unsere schöne Altbauwohnung sicher sanieren will. Ob wir als Künstler uns dann noch die Miete leisten können, ist denen mit Sicherheit egal.
Glaubst du, Westdeutsche hatten nach der Wiedervereinigung im Osten Vorteile?
Ich finde, das kann man nicht so pauschal mit ja oder nein beantworten, das Thema ist zu komplex. Während der Wiedervereinigung haben viele Menschen Ungerechtigkeiten erfahren. Als Künstlerin finde ich es besonders schlimm, wie wenig Rente Künstler und andere Berufsgruppen aus der ehemaligen DDR heute bekommen.
Was hast du in Ostdeutschland gelernt?
Ich bin in Bayern aufgewachsen, aber in Ostdeutschland erwachsen geworden. Ich habe hier gelernt, was für mich wichtig ist, und dass räumliche Entfernung echten Freundschaften nichts anhaben kann. Beeindruckt hat mich der Zusammenhalt der Hallenser nach dem rechten Terroranschlag. Der Anblick des Blumenmeers auf dem Marktplatz und vor dem Kiez-Döner bei uns um die Ecke hat bei mir Gänsehaut verursacht. Dass sich so viele Hallenser gegen Antisemitismus und Rassismus positionieren, stimmt mich hoffnungsvoll.
Was wünschst du dir für Ostdeutschland?
Dass mehr in die Bildung investiert wird und marode Schulgebäude saniert werden. Dass die nächsten Wahlergebnisse anders aussehen. Dass rassistische und menschenverachtende Parteien bald wieder in der Versenkung verschwinden, und das nicht nur im Osten. Vor allem aber wünsche ich mir, dass es in den Köpfen irgendwann keine Rolle mehr spielt, wer aus dem Westen und wer aus dem Osten kommt.