Juliane Kolrep
Juliane Kolrep ist Studentin und Steuerassistentin und 1995 in Bielefeld geboren und in Rathenow aufgewachsen.
Gegangen: Juliane wohnt aktuell in Hamburg.
Foto: Julia Horn
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Weshalb bist du gegangen?
Der Liebe wegen! Mein damaliger Freund ist nach Hamburg gezogen. Als ich von meinem Au-pair-Aufenthalt aus Neuseeland wiederkam, habe ich mich deshalb für das Studium in Hamburg beworben und bin angenommen worden. Es war keine aktive Entscheidung gegen den Osten. Wäre ich nicht in Hamburg angenommen worden, wäre ich wohl sogar nach Potsdam gegangen. Aber mit Hamburg hätte ich es wohl auch schlechter treffen können.
Wie gestaltest du die Zukunft?
Als Steuerassistentin in einer mittelständischen Steuerberatungsgesellschaft versuche ich, neben den täglich anfallenden Aufgaben, das Leben der Mandanten durch digitale Lösungen zu vereinfachen. Die Mandanten müssen nicht mehr jeden Monat ihre Ordner zu uns per Post schicken. Bei uns sind sämtliche Unterlagen digital hinterlegt. Dadurch drucken sowohl die Mandanten als auch wir so gut wie nichts mehr aus, wodurch zusätzlich die Umwelt geschont wird. Wenn der Mandant beispielsweise gerade eine Rechnung erhalten hat, die er bei uns einreichen möchte, dann kann er diese einfach schnell mit dem Handy abfotografieren, in die entsprechende App hochladen und schon erscheint sie in unseren Systemen.
Glaubst du, deine Wende-Erfahrung bzw. die Wende-Erfahrung deiner Familie hat dich auch für den Digitalen Wandel gewappnet?
Fühlst du dich Ostdeutsch?
Ich fühle mich ostdeutsch seit ich nicht mehr in Ostdeutschland lebe. Erst in Hamburg sind mir die Unterschiede aufgefallen. Es konnten Kleinigkeiten wie die Uhrzeit, typisches Essen oder Begrifflichkeiten sein. Manchmal waren es aber auch größere Unterschiede, wie zum Beispiel was meine neuen Freunde alles als selbstverständlich angesehen haben, weil bereits ihre Eltern mit einem anderen Selbstverständnis aufgewachsen sind. Zudem hat mich der ein oder andere unschöne Kommentar über „den Osten“ etwas trotzig werden lassen. Dass ich mich ostdeutsch fühle, ist für mich einer von vielen Teilen meiner Identität. Es ist nichts Alltagsbestimmendes. Aber ein ostdeutsches Gefühl ist ein heimeliges Gefühl.
Wie beeinflusst dich deine ostdeutsche Herkunft?
Meine Eltern haben nach der Wende bei null angefangen und sich zusammen sehr viel aufgebaut, wofür sie aber auch unglaublich viel gearbeitet haben. Ich habe sie sich nie darüber beschweren gehört. Wenn ich heute mal an Dingen arbeiten muss, die mir keinen Spaß machen, dann ziehe ich sie auch durch ohne zu jammern. Gleichzeitig weiß ich noch sehr genau, wie meine Mutter mal zu mir sagte, dass ich mich niemals von einem Mann in irgendeiner Form abhängig machen muss, da ich auch alles alleine hinbekommen kann. Da diese Aussage von ihr schon circa 15 Jahre alt ist, war meine Mutter den Gleichberechtigungsdebatten der letzten Jahre weit voraus. Solche Aussagen prägen.
Was wünscht du dir für Ostdeutschland?
Als Allererstes, dass die Löhne und Renten angepasst werden. Gleiches Geld für gleiche Arbeit. Dass gesamtgesellschaftlich die Fehler aufgearbeitet werden, die im Zuge der Wiedervereinigung gemacht wurden und die bis heute Auswirkungen auf Ostdeutschland haben (Stichwort Treuhand). Außerdem, dass wir es schaffen die bestehenden Vorurteile in unseren Köpfen abzubauen und vor allem, dass diese eben nicht an die nächsten Generationen weitergegeben werden. Damit meine ich die Vorurteile, die westdeutsch sozialisierte Leute gegenüber ostdeutsch sozialisierten Leuten haben – aber auch genau so andersherum. Damit geht einher, dass wir alle mehr nachfragen müssen, bevor wir uns ein Urteil bilden.