Wir sind der

Osten

Kai Diekmann

Kai Diekmann

Kai Diekmann ist 1964 in Bielefeld geboren und später nach Ostdeutschland gezogen.

Rübergemacht: Kai wohnt aktuell in in Potsdam und auf Usedom, und arbeitet als Journalist und Unternehmer.

Foto: Friedrich Bungert

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Weshalb hast du in den Osten rübergemacht?

Schon in meiner Hamburger Zeit habe ich ein großes Faible für die neuen Bundesländer entwickelt und bin häufig zu Wochenendausflügen drüben gewesen: am Schalsee, in Heiligendamm (lange bevor es das Luxushotel gab) und an weiteren Orten an der Ostseeküste. 2007 habe ich entschieden, mit BILD von Hamburg nach Berlin zu ziehen. Zu diesem Zeitpunkt hatte ich mich bereits in Potsdam verliebt und entschieden: Wenn wir dort ein Haus für die Familie finden, dann ziehen wir nach Potsdam. Das war an dieser Stelle keine Entscheidung für die neuen Bundesländer, sondern eine Entscheidung für Potsdam, weil es kaum einen schöneren Ort gibt, der in einer so traumhaften Landschaft liegt. Potsdam mit seinen unglaublich vielen Schlössern und Baudenkmälern – und das in einer einzigartigen Wald- und Seenlandschaft, ganz unmittelbar vor den Toren der Hauptstadt.

Wie gestaltest du die Zukunft?

Ich war 31 Jahre lang bei Axel Springer, 16 Jahre lang Chef der BILD und habe vor drei Jahren mein eigenes Unternehmen gegründet: „Die Storymachine“. Wir sind sozusagen digitale Ghostwriter auf Social Media für alle möglichen Partner. Das heißt, wir digitalisieren und demokratisieren Kommunikation und kreieren Kommunikation in sozialen Medien.

  • 1964

    Bielefeld

  • Münster

  • Hamburg

  • New York

  • Bonn

  • München

  • Berlin

  • Hamburg

  • 2020

    Potsdam/Usedom

Glaubst du, Menschen in Ostdeutschland können besser mit Veränderungen bzw. Wandel umgehen?

3 von 5
Stimme gar nicht zu
Stimme voll und ganz zu

Fühlst du dich ostdeutsch?

Ich fühle mich gesamtdeutsch. Ich habe natürlich eine westdeutsche Biographie. Ich glaube aber, dass sich über 30 Jahre nach dem Mauerfall viele Dinge angeglichen haben. Dadurch, dass ich vier Kinder habe, die in Potsdam aufgewachsen sind, stellt sich auch für die nicht mehr die Frage: Sind wir ostdeutsch oder westdeutsch? Das ist für sie Geschichte und zum Glück für mich auch ein Stück Teilgeschichte.

Ich bin allerdings in Potsdam auch immer wieder mit der spezifischen ost- oder westdeutschen Sicht auf Dinge konfrontiert. Wir führen in Potsdam seit vielen Jahren eine Architekturdebatte darüber, was das Gesicht der Stadt sein soll. Für mich gehören dazu auch Bauten, die in den 40 Jahren DDR entstanden sind. Das Potsdam, das wir erhalten wollen, kann nicht nur das Potsdam von Friedrich dem Großen sein. Dafür habe ich mich auch eingesetzt.

Welche Erfahrungen hast du in Ostdeutschland gemacht?

Der Umzug 2007 ist eine Entscheidung lange nach der Wiedervereinigung gewesen. Da waren ein paar Jahre vergangen und wir waren nicht die ersten Westdeutschen, die in Potsdam eingetroffen sind. Ganz im Gegenteil: Es waren viele vor uns da, angefangen mit Günther Jauch, der schon unmittelbar nach der Wiedervereinigung sein Zelt in Potsdam aufgeschlagen hat. Das heißt, wir waren auch großer Nutznießer all derjenigen, die vor uns diesen Weg gegangen sind. Die Infrastruktur war 2007/2008 schon eine völlig andere als zu der Zeit, als die Jauchs, Döpfners und andere nach Potsdam gegangen sind. Für uns war das keine Frage von Ost oder West. Für uns erschien Potsdam eher wie ein spannendes, soziales Experiment, wo Menschen aus vielen Gegenden Deutschlands hingekommen sind, die meistens beruflich in Berlin engagiert waren und sich ganz bewusst für diesen Ort entschieden haben. Im Gegensatz zu Hamburg, wo man sich mühsam alles einzeln erkämpfen musste, gab es von Anfang an eine große Bereitschaft der Gemeinschaft vor Ort, die Erfahrungen und die Empfehlungen, die man selbst gemacht hat, zu teilen.

Glaubst du, Westdeutsche hatten nach der Wiedervereinigung im Osten Vorteile?

Ja, weil sich die Westdeutschen natürlich nicht auf ein völlig anderes Leben einstellen mussten, sondern einen Großteil der westdeutschen Standards, die ja eine freiheitlich demokratische Gesellschaft gewesen ist, auf die neuen Bundesländer übertragen haben. Das war ja ein Beitritt zum Geltungsbereich des Grundgesetzes – aus guten Gründen. Und insofern war es für uns natürlich einfacher, sich in dieser neuen oder sich verändernden Welt zurechtzufinden, als für jemanden, dessen Lebensplanung oder -vorstellung erst einmal völlig über den Haufen geworfen wurde.

Was hast du in Ostdeutschland gelernt?

Es ist wichtig zu verstehen, dass wenn wir über den ehemals ostdeutschen Teil Deutschlands sprechen, wir auch über 40 Jahre DDR reden. Das ist nicht einfach nur ein Wimpernschlag in der Geschichte gewesen, sondern das sind fast zwei Generationen, die in einem anderen System, in einer anderen Welt aufgewachsen sind. Und dazu gehören auch ganz spezifische Erfahrungen, die andere sind als unsere Erfahrungen. Diese Erfahrungen müssen wir auch ernst nehmen. Ich habe zum Beispiel vor Jahren ein Originalstück der Berliner Mauer erstanden und es in unserem Garten in Potsdam aufgestellt. Daraufhin hat mich mein Nachbar ganz lieb angesprochen und gesagt: „Ich habe 40 Jahre lang auf dieses Scheißding gucken müssen – stell es doch bitte so, dass ich es nicht sehen muss.“

Was wünschst du dir für Ostdeutschland?

Dass wir bitte spätestens in einer Generation nicht mehr über Ostdeutschland und Westdeutschland sprechen müssen.