Karl Kretschmer
Karl Kretschmer ist Freier Berater für unternehmerischen Fortschritt und Aufsichtsrat der Permagold eG. und 1989 in Berlin geboren.
Geblieben: Karl wohnt heute in Dresden.
Foto: Thomas Schlorke
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Weshalb bist du geblieben?
Neben dem nicht unbedeutenden Faktor zwischenmenschlicher Zufälle habe ich für mich entdeckt, dass es nur wenige Orte gibt, an denen die Lebensqualität so hoch ist wie in meinen Lieblingsstädten Leipzig und Dresden. Während des Studiums habe ich viele Städte in Deutschland, aber auch im europäischen Ausland kennengelernt, und auch wenn jede ihre eigene Geschichte hat, so finde ich doch „Zuhause“ immer eine große Freundlichkeit, angenehme Mietpreise und eine starke Kreativ- und Willensszene. Die Möglichkeiten sich auszuprobieren, sind einfach enorm und vergleichsweise mit „wenig Mitteln“ machbar.
Wie gestaltest du die Zukunft?
Mit Permagold habe ich zwei Jahre eine Genossenschaft für die „Agrarwende aus Bürgerhand“ mit aufbauen dürfen, die der in der Sackgasse steckenden industriellen Landwirtschaft konkrete Alternativen in Form ökologischer Mischkultursysteme aufzeigt, mit denen Lebensmittelproduktion und Umweltschutz versöhnt werden können. Zudem arbeite ich seit meinem Studium mit jungen Unternehmen, deren Vorankommen mir am Herzen liegt und die ich im Rahmen meiner Möglichkeiten unterstütze in Themen wie Finanzierung, Businessplan, Markenentwicklung, Identität oder oder – immer da, wo „Probleme“ sind.
Glaubst du, deine Wende-Erfahrung bzw. die Wende-Erfahrung deiner Familie hat dich auch für den Digitalen Wandel gewappnet?
Fühlst du dich Ostdeutsch?
In erster Linie bin ich Europäer und empfinde mich als solcher, seitdem ich denken kann. Mehr noch als dass ich mich als Deutscher empfinde. Die DDR selbst habe ich als „Wendekind“ nie erlebt, jedoch haben mich meine Eltern gelehrt, was Verantwortung, Mitmenschlichkeit, Hilfsbereitschaft, Bewusstsein zur Umwelt und ein kritischer Geist sind. Sie haben mich davor bewahrt, das „Ich“ vor das „Wir“ zu stellen, denn es gibt kein Ich außerhalb des Wir, nur innerhalb. Fühlt sich das ostdeutsch an? Vielleicht, aber es ist definitiv durch das Ideal der Gemeinschaftlichkeit geprägt, welches meine Eltern aus der DDR hinüber-„gerettet“ haben.
Wie beeinflusst dich deine ostdeutsche Herkunft?
Ein Bewusstsein des „Aufholens“ ist definitiv auch in mir ausgeprägt, dass „wir“ mit „weniger“ ins Leben starten und „härter“ arbeiten müssen für einen sozialen Aufstieg und Absicherung. Ich sehe darin aber eher Ursprung von Kreativität und Schaffensfreude als den Quatsch von „das ist aber unfair, unfair, unfair!“. Der Ehrgeiz, diesen „Startnachteil“ nicht als in Stein gemeißelt hinzunehmen, kommt sicherlich aus meiner ostdeutschen Sozialisierung.
Was wünschst du dir für Ostdeutschland?
Ein starkes Selbstbewusstsein der einzelnen Regionen, den Abschluss mit der Vergangenheit und die Arbeit für eine tolle Zukunft. Dem „Wir“ als Gesellschaft treu zu bleiben, um miteinander zu arbeiten, aber ohne ein „Die“ mit diesem Unsinn der Ausgrenzung Einzelner