Karoline Preisler

Karoline Preisler ist Volljuristin sowie ehrenamtliche Politikerin (FDP) in Mecklenburg-Vorpommern und 1971 in Ost-Berlin geboren.

Geblieben: Karoline wohnt aktuell in Barth.

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Weshalb bist du geblieben?

Ich bin geblieben. Seit etwa 1985 sind Freunde von mir gegangen. Rübergemacht. Deshalb ist die Frage „gehen oder bleiben“ für mich allgegenwärtig. Ich habe Verständnis für jeden, der gegangen ist und geht. Ich habe mich anders entschieden. Für mich ist politische Arbeit ganz besonders dort sinnvoll, wo es eine hohe Notwendigkeit zur Veränderung gibt. Die ostdeutschen Bundesländer brauchen politisch aktive Menschen. Es gibt hier viel Arbeit für mich. Es ist mir eine Ehre.

Was hat dich motiviert, politisch aktiv zu werden?

Mit etwa 13 Jahren wurde ich politisch aktiv. Ich interessierte mich für Glasnost und Perestroika, für die Verfassung der DDR. Schein und Wirklichkeit. Ich sah, wie die DDR Menschen verfolgte, wegsperrte, unterdrückte. Meinung, Presse, Kunst, Religion waren unfrei. Homosexuelle wurden diskriminiert. Rassismus und Antisemitismus waren politisch gewollt. Das hat mich aufgewühlt. Ich wurde aktiv und suchte mir Gleichgesinnte in kirchlichen Gruppen der DDR.

Wie überzeugst du junge Menschen, in Ostdeutschland zu bleiben und vor Ort die Zukunft zu gestalten?

Bleibe hier! Arbeite! Werde glücklich! Wir haben in den ostdeutschen Bundesländern Platz für dich, deine Familie. Wir haben Fachkräftemangel und freien Wohnraum. In Ostdeutschland sind alle Menschen gleichberechtigt und -verpflichtet. Frauen müssen nicht um Gleichberechtigung kämpfen, weil sie längst da ist.

  • 1971

    Ost-Berlin

  • 2021

    Barth

Fühlst du dich Ostdeutsch?

Ich fühle mich ostdeutsch und bin stolz auf die friedliche Revolution. Meine Nachbarschaft und ich sind bis heute in dieser Erinnerung verbunden. Wir haben ein unfreies System überwunden! Was für eine Lebensleistung! Wir haben viel erreicht. Für meine Kinder ist die deutsch-deutsche Teilung bereits Geschichte. Das ist großartig! Meine Herkunft beeinflusst meine politische Arbeit: Ich habe die Unfreiheit noch erlebt. Die Demokratie kann auf mich zählen.

Weshalb gibt es noch immer weniger parteipolitisches Engagement in Ostdeutschland und wie möchtest du das ändern?

Parteipolitisches Engagement, das von oben herab den Menschen in Ostdeutschland erklärt, wo sie falschliegen, braucht kein Mensch. Unsere Demokratie ist jung, doch Belehrungen sind der falsche Weg. Ich bin der Auffassung, dass wir wieder offene Debatten führen müssen, Widerspruch auf Augenhöhe erfolgen muss. Runde Tische können bewirken, was parteipolitisch bisher auf der Strecke blieb: Debattenkultur MIT den Menschen in Ostdeutschland, nicht ÜBER uns Ostdeutsche. Ich suche hierzu Demonstrationen auf und diskutiere am Rande mit den Menschen über ihre Themen. Auf Bürgersprechstunden verzichte ich überwiegend. Politik gehört auf die Straße. Dort ist mein Engagement wichtig. Ich höre zu.

Was machst du, damit Ostdeutsche bessere Chancen haben?

Ostdeutsche wollen keine BESSEREN Chancen. Wir brauchen ChancenGERECHTIGKEIT. Hierfür müssen wir ostdeutsche Geschichten erzählen und ostdeutsche Perspektiven sichtbar machen. Dafür setze ich mich ein. Eine bessere Erinnerungskultur und politische Bildung beginnen dort, wo wir das ostdeutsche Leben als Teil von uns akzeptieren.

Was wünscht du dir für Ostdeutschland?

Ich wünsche mir für Ostdeutschland eine bessere Infrastruktur, Investitionen in Bildung und Digitalisierung, Willkommenskultur für Industrie und Handel – beste Lebensbedingungen.