Wir sind der

Osten

Karolin Ring

Karolin Ring ist Journalistin und Initiatorin der Initiative für Bürgerbeteiligung „Mitgedacht-Mitgemacht“ und 1984 in Beeskow geboren und aufgewachsen.

Zurückgekehrt: Karolin wohnt aktuell in Beeskow.

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Weshalb bist du gegangen?

Mit der Geburt unserer Tochter fing ich an an, mein Leben zu hinterfragen. Was ist mein Beitrag auf dieser Welt? Welches Vorbild möchte ich sein? Wie kann ich etwas Positives mitgestalten? Und ganz pragmatisch war der fünfte Stock mit 111 Treppen, Hund und Kinderwagen auf Dauer immer weniger attraktiv – genauso wie mit der U-Bahn in den Kindergarten zu fahren. In mir haben immer schon ein Großstadt– und ein Heimatherz geschlagen und mein Wunsch in die Heimat zurück zu kehren, wurde zu dem Zeitpunkt immer lauter. Und dann war da, wie durch Zufall, diese perfekte Immobilie, ein denkmalgeschützter Bauernhof mitten in meiner Heimatstadt Beeskow in Ostbrandenburg, und wir haben zugeschlagen.

Wie gestaltest du die Zukunft?

Meine Mission ist es, aktiv das schwindende Vertrauen in Politik und Demokratie in Gemeinden und Städten im Osten zurück zu gewinnen. Um das zu unterstützen habe ich mitten in Ostbrandenburg in der Kreisstadt Beeskow das Pilotprojekt “Mitgedacht-Mitgemacht” gegründet. Auf neuen Wegen ermutigen wir Bürgerinnen und Bürger ohne viel Aufwand Politik und Gesellschaft in ihrem Ort mitzugestalten. Ich bin fest davon überzeugt, dass das wahre Potenzial einer Stadt in ihren Menschen liegt. Je mehr Einwohnerinnen und Einwohner sich einbringen, desto lebendiger die Stadtgesellschaft. Wir schaffen gemeinsam Orte in Deutschland, an denen wir gerne leben, arbeiten und unsere Freizeit verbringen.

  • 1996

    Schönebeck (Elbe)

  • Berlin

  • 2024

    Leipzig

Glaubst du, deine Wende-Erfahrung bzw. die Wende-Erfahrung deiner Familie hat dich auch für den Digitalen Wandel gewappnet?

3 von 5
Stimme gar nicht zu
Stimme voll und ganz zu

Fühlst du dich Ostdeutsch?

Zur Zeit der Wende war ich 5 Jahre alt. Meine alleinerziehende Mama hat noch studiert und so habe ich sehr viel Zeit bei meinen Großeltern verbracht. Die Erinnerungen an meine Kindheit sind geprägt von einer strengen, aber liebevollen Erziehung, in der ich nie die Grenzen zwischen Ost und West im politischen, wirtschaftlichen oder gesellschaftlichen Sinne gespürt habe. Meine ganze kleine Welt war der Campingurlaub am Brandenburger See, das jährliche Faschingsfest oder wenn Oma Blumen zum Frauentag erhalten hat. Heute fühle ich mich heimatverbunden und dankbar, dass ich nach der Wende im Ausland leben und in ganz Deutschland arbeiten konnte.

Wie beeinflusst dich deine ostdeutsche Herkunft?

Ich denke, das meine heutige Einstellung zu Traditionen, Werten oder gemeinschaftlichem Zusammenhalt durch meine Familie und das damalige Umfeld geprägt sind. Dieser Rahmen hilft mir, wenn ich heute Entscheidungen treffe oder mich, wie aktuell, politisch engagiere. Bei meiner Arbeit begegne ich nicht wenigen Menschen, die sich wünschen, dass „alles wieder wie früher ist“. Oder bei Facebook sehe ich, wie Fotos von früher viele Menschen positiv bewegt. Wir leben in anstrengenden Zeiten, wo der Blick in das frühere Leben und die Nostalgie Behaglichkeit auslösen. Mein Ziel ist es, dass dieses Gefühl auch die Zukunft prägt und Menschen durch Beteiligung ihre Lebenswelt positiv mitgestalten.

Was wünscht du dir für Ostdeutschland?

Die Liste ist lang. Vor allem wünsche ich mir aber, dass wir als ostdeutsche Gesellschaft raus aus dem Modus der Vergessenen und Vernachlässigten kommen und uns als Bürger aktiv daran beteiligen unsere Lebenswelt zu verbessern. Die Politik und Wirtschaft sollte sich darüber hinaus noch mehr Bemühen, bessere Rahmenbedingungen zu schaffen, z.B. Anreize für Investitionen in Industrie oder Forschung, Gleichstellung bei den Löhnen oder den Ausbau der Infrastruktur. Kommunal sind das Aussterben der Innenstädte, der Wegzug von jungen Menschen und das einhergehende Erstarken von demokratiefeindlichen Bewegungen ein großes Problem, das endlich in den Griff bekommen werden muss.