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Osten

Karsten Schwanke

Karsten Schwanke

Karsten Schwanke ist ARD-Meteorologe und Moderator und 1969 in Bad Belzig/Ziesar geboren.

Gegangen: Karsten wohnt aktuell in Köln.

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Weshalb bist du gegangen?

Als die Mauer aufging, war ich Student (der Meteorologie) im dritten Semester an der Humboldt-Uni in Ost-Berlin. Bis Januar 1991 bin ich dann noch in Berlin geblieben, um dann aber die Chance zu nutzen, eine andere, westdeutsche Stadt und das Studium an einer westdeutschen Uni kennenzulernen. So entschied ich mich für  das Zentrum der Klimaforschung in Hamburg – kleiner als Berlin, aber okay. Dort habe ich 1995 mein Studium beendet. Und dann war es eine Frage der Job-Möglichkeiten und der Familiengründung: Ich war knapp zehn Jahre für das ARD-Wetter in der Schweiz (bei der Meteomedia AG) und pendelte von dort immer wieder zum WDR nach Köln, wo ich dann auch hinzog und bis heute lebe.

Wie gestaltest du die Zukunft?

Mein Beruf bringt es mit sich, dass ich mich ständig mit der kurzfristigen Zukunft auseinandersetze, wenn ich mir überlege, wie das Wetter in den nächsten Tagen wird ;-) In den letzten Jahren ist der Blick aber weit darüber hinaus gegangen. Die Frage, wie wir es als Gesellschaft schaffen wollen, dem Klimawandel – oder der Klimakrise – zu begegnen, beschäftigt mich sehr. Deshalb zeige ich immer öfter in meinen Wetterberichten, wie sich die Klimakrise bei uns bemerkbar macht; ich erzähle in Vorträgen und auf Veranstaltungen davon. Ich möchte als Wissenschaftskommunikator die Augen öffnen und zeigen, welche Herausforderungen uns bevorstehen, aber auch, wie Lösungen aussehen können.

  • 1969

    Bad Belzig/Ziesar

  • 2021

    Köln

Glaubst du, deine Wende-Erfahrung bzw. die Wende-Erfahrung deiner Familie hat dich auch für den Digitalen Wandel gewappnet?

2 von 5
Stimme gar nicht zu
Stimme voll und ganz zu

Fühlst du dich Ostdeutsch?

Ich hätte gerne angekreuzt: „Mal so, mal so“. Die Brandenburger Seen, die Havel und die Kiefernwälder sind meine Heimat, ich war Fan von Stahl Brandenburg. Aber wenn ich heute in meine Heimatstadt zurückkehre, beschleicht mich ein eher wehmütiges Gefühl: Die Jungen sind gegangen (wie ich ja auch, auch wenn ich heute deutlich älter bin) und die Bevölkerung ist überwiegend alt. Jenseits der großen Städte fehlt mir die Perspektive, die Lebenswirklichkeit entspricht nicht mehr der Art und Weise, wie ich heute lebe. Und trotzdem fühle ich mit den Menschen. Ich spüre einen Stich, wenn ich in den (westdeutsch geprägten) Medien Geschichtsrückblicke sehe, in denen sich alles nur um den Westen dreht.

Wie beeinflusst dich deine ostdeutsche Herkunft?

Die Wendeerfahrung und die ersten Jahre nach der Wiedervereinigung haben mich sehr geprägt. Ich musste sehr schnell selbständig sein, musste mich, wie alle anderen Ostdeutschen auch, in ein komplett neues Gesellschaftssystem hineinfinden. Mein Umzug nach Hamburg hat dies noch beschleunigt. Finanziell auf Bafög angewiesen, habe ich mich in dieser teuren Stadt durchschlagen müssen. Das war nicht immer einfach, aber es war eine wertvolle Erfahrung, die ich nicht missen möchte. Ich bin überzeugt davon, dass mich dieser Wechsel wacher, neugieriger und entscheidungsfreudiger gemacht hat. Und ich schaue bis heute mit einem anderen, ostdeutschen Blick auf aktuelle Entwicklungen in Deutschland und in der EU.

Was wünscht du dir für Ostdeutschland?

Ich wünsche mir zwei Dinge: Zuallererst, dass der unsägliche Rechtsextremismus und Rassismus sich nicht noch weiter ausbreiten können – ganz im Gegenteil: dass es im Osten Deutschlands, in meiner alten Heimat, keine Zukunft dafür geben wird. Das hat gewiss auch mit Zukunftsperspektiven zu tun (2. Punkt) und auch mit einem minderwertigen Selbstwertgefühl gegenüber dem Westen. Wenn die Menschen im Osten weltoffen, optimistisch und selbstbewusst ihre Zukunft gestalten, dann sehe ich dafür gute Chancen. Außerdem: schneereiche Winter mit zugefrorenen Seen und freundlichen Cafés an der Ostsee ;-)