Katharina Zacharias
Katharina Zacharias ist stellv. Landesvorsitzende (SPD) in Sachsen-Anhalt und 1990 in Weimar geboren und aufgewachsen.
Zurückgekehrt: Katharina wohnt aktuell in Haldensleben.
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Weshalb bist du zurückgekehrt?
Ich bin in Weimar geboren und aufgewachsen und habe dann beruflich einen kurzen Zwischenstopp in Fulda eingelegt. Am Ende sind wir als Familie vor 4,5 Jahren in Haldensleben in Sachsen-Anhalt sesshaft geworden. Auch mein Mann kommt aus dem Osten, dem Erzgebirge. Wir haben uns beide immer als Ostdeutsche gefühlt, waren uns aber lange uneinig, ob unser Lebensmittelpunkt im Osten oder Westen liegen soll. Am Ende hat sein Beruf für uns entschieden und nun kämpfe ich politisch dafür, dass sich mehr junge Menschen für ein Leben im Osten Deutschlands entscheiden und ihre Zukunft hier sehen.
Was hat dich motiviert, politisch aktiv zu werden?
Mit 10 oder 11 sollte ich in der Schule einen Vortrag über mein Idol halten. Während meine Mitschülerinnen eher von MTV inspiriert waren, war Regine Hildebrandt meine Heldin. Als „Mutter Courage des Ostens“ war sie immer laut für die Belange der Menschen hier und hat für sie gekämpft. Sie ist nicht nur der Grund für mein politisches Engagement, sondern sie ist auch maßgeblich dafür verantwortlich, dass ich in der SPD gelandet bin. Ansonsten war es für mich auch als Jugendliche gar nicht möglich unpolitisch zu sein. Mit ca 13 bin ich das erste Mal gegen Nazis auf die Straße gegangen und ich weigere mich bis heute denen den Osten zu überlassen, auch wenn manche im Westen glauben, dass wir „hier drüben“ ja mittlerweile eh alles Nazis sind.
Wie überzeugst du junge Menschen, in Ostdeutschland zu bleiben und vor Ort die Zukunft zu gestalten?
Nun ja, wenn alle weggehen, dann wird es hier ja nicht besser. Das muss man einfach mal klarstellen und da gibt es auch nichts zu beschönigen. Ich habe das Gefühl, dass man im Osten als junger Mensch noch etwas freier ist. Hier ist vor 30 Jahren viel in die Brüche gegangen, aber genau das bietet auch Spielraum. Gerade in ländlichen Regionen ist man mittlerweile für jede Initiative dankbar, die wieder Leben in die Stadt bringt. Auch habe ich das Gefühl, dass es im Osten weniger schlimm ist mal zu scheitern oder die berufliche Richtung zu wechseln, denn das hat hier fast jeder schon mal getan. Mieten, auch für Büroräume, liegen oft deutlich unter denen im Westen. Viele meiner Jugendfreunde sind mittlerweile selbstständig und leben hier ihren Traum.
Fühlst du dich Ostdeutsch?
Als Wendekind bin ich in den Umbruch hineingeboren worden. Schon als ich noch klein war erzählte mir meine Mutter, dass sie mit mir im Bauch bei den Montagsdemos war. Dieser Teil der Geschichte gehörte von Beginn an genauso zu meinem Leben, wie Nudossi und „Wessi“-Witze. Meine Jugend verbrachte ich in Weimars alternativer Künstlerszene. Immer wieder fielen Sätze wie „Stolz drauf Ossi zu sein!“. Doch dass der Unterschied immer noch existiert, habe ich erst bei meinem Ausflug in den Westen wirklich realisiert. Da sagten Menschen, deutlich nach der Wende geboren, Dinge zu mir wie „Na du kommst ja von drüben, das kennst du bestimmt nicht.“ Das machte mich zuerst fassungslos und dann wütend. Diese Wut habe ich genommen und versuche sie in ein konstruktives Gewand zu packen, um etwas nachhaltig zu verändern.
Weshalb gibt es noch immer weniger parteipolitisches Engagement in Ostdeutschland und wie möchtest du das ändern?
Manchmal glaube ich, dass Partei hier immer noch negativ behaftet ist und man sich auch ein bisschen daran gewöhnt hatte, dass Politik etwas ist, dass einem einfach so passiert und dem man sich ergeben muss. Dem ist nicht so und ich bin das beste Beispiel: Nach nur 4 Jahren Mitgliedschaft bin ich stellvertretende Landesvorsitzende der SPD, Vize-Fraktionsvorsitzende im Stadtrat und hatte einen Listenplatz unter den Top 15 zur Landtagswahl. Gerade im Osten sind die parteipolitischen Strukturen flach und es gibt die Möglichkeit schnell Verantwortung zu übernehmen und sich einzubringen. Das muss als Chance begriffen werden, denn zum Beispiel in NRW sieht das ganz anders aus.
Was machst du, damit Ostdeutsche bessere Chancen haben?
Ich finde Arbeitskämpfe sehr wichtig. Eine Gewerkschaftsmitgliedschaft ist für mich ein Stück Hilfe zur Selbsthilfe. Deshalb bin ich nicht nur selbst Gewerkschaftsmitglied, ich unterstütze auch die Streiks hier nach Kräften. Denn es sollte doch eigentlich selbstverständlich sein, dass Menschen für ihre Arbeitsleistung fair bezahlt werden, da hängen wir im Osten aber ganz massiv hinterher. Gerade in den ländlichen Gebieten haben wir oft auch ein Infrastrukturproblem und da wir deutlich weniger Ballungszentren als der Westen haben, sind die Wege zB zur medizinischen Versorgung oft länger. Ich setze mich seit Jahren aktiv dafür ein, dass das Kliniksterben, insbesondere bei Kinderkliniken und Kreißsälen, gestoppt wird und wir eher dazu übergehen die Versorgung wieder flächendeckend aufzubauen. All das sind kleine Bausteine im Kampf für gleiche Lebensverhältnisse in Ost und West, aber das macht sie nicht unwichtig.
Was wünscht du dir für Ostdeutschland?
Ich würde mich sehr freuen, wenn die Menschen hier von der Politik eine ehrliche Entschuldigung für all die Ungerechtigkeiten bekommen, die ihnen in den Zeiten des Umbruchs widerfahren sind. Niemand erwartet, dass Geschäfte der Treuhand nach über drei Jahrzehnten rückabgewickelt werden, aber Ehrlichkeit im Umgang mit Fehlern der Vergangenheit würde meiner Meinung nach die Chance auf ein besseres Zusammenwachsen in der Zukunft enorm erhöhen. Ansonsten wünsche ich mir, dass Ostdeutschland als Lebens- und Arbeitsumfeld so attraktiv wird, dass meine Kinder nie in Erwägung ziehen müssen deswegen wegzugehen. Also im Klartext: Ich wünsche mir, dass wir als Land die Potentiale im Osten begreifen und fördern, damit wir nach 30 Jahren endlich eine Chance auf die blühenden Landschaften haben, die uns einst versprochen wurden.