Wir sind der

Osten

Kathrin Mahler Walther

Kathrin Mahler Walther ist Geschäftsführerin und Vorstandsmitglied der EAF Berlin und 1970 in Leipzig geboren.

Gegangen: Kathrin lebt heute in Leipzig.

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Weshalb bist du gegangen?

Berlin war immer meine Traumstadt, schon zu DDR-Zeiten. Ich wollte einfach in eine richtige Großstadt. In den 90er Jahren war Berlin ein Schmelztiegel für Ost und West, nirgendwo sonst gab es diese Möglichkeit, im Osten und im Westen gleichzeitig zu sein, das Neue kennenzulernen und zu Gestalten ohne Vertrautes völlig aufgeben zu müssen. Zudem ist Berlin eine Stadt der Vielfalt, was für mich als lesbische Frau Lebensmöglichkeiten eröffnet, die ich kaum woanders in Deutschland hätte.

Wie gestaltest du die Zukunft?

Mit der EAF Berlin setze ich mich für eine Gesellschaft ein, in der alle Menschen ihre Potentiale einbringen können. Wir beraten Politik, Wirtschaft und Wissenschaft zur Förderung von Vielfalt und Chancengleichheit. Dazu entwickeln wir praxisorientierte Studien sowie konkrete Programme der Personal- und Organisationsentwicklung und zahlreiche Trainings, u.a. zu unbewussten Denkmustern. Mit Mentoring-Programmen fördern wir den Dialog der Generationen und bauen Netzwerke für die Zukunft auf.

  • 1970

    Leipzig

  • 2019

    Berlin

Glaubst du, deine Wende-Erfahrung bzw. die Wende-Erfahrung deiner Familie hat dich auch für den Digitalen Wandel gewappnet?

3 von 5
Stimme gar nicht zu
Stimme voll und ganz zu

Fühlst du dich Ostdeutsch?

Weil ich in der DDR aufgewachsen bin. Das Leben in der DDR mit all seinen sozialen, ökologischen und politischen Dimensionen hat mich geprägt und hat immer noch Einfluss auf meine Einstellungen, mein Denken und mein Handeln. Zum Beispiel auf mein Verständnis von Geschlechterrollen. Oder von Gerechtigkeit. Aber manchmal stoße ich auch wieder an die ideologischen Begrenzungen, mit denen ich aufgewachsen bin. Manche historische „Wahrheit“, von der ich heute lerne, dass ich belogen wurde. Das Aufwachsen in einem solch geschlossenen System kann ich nicht einfach abstreifen, sondern muss es immer wieder neu reflektieren.

Wie beeinflusst dich deine ostdeutsche Herkunft?

Ich war damals eine der jüngsten Bürgerrechtlerinnen in Leipzig. Ich habe erlebt, wie wir im Herbst 1989 durch gemeinsames gewaltfreies Handeln das SED-Regime in die Knie zwingen konnten. Wie sich die Menschen in der DDR aufrichteten, selbstbewußt wurden, wie sich viele ganz aktiv einbrachten und um ein neues Leben rangen. Das gibt mir auch heute viel Kraft für mein Engagement.

Was wünscht du dir für Ostdeutschland?

Ich wünsche mir, dass ostdeutsche Lebenserzählungen selbstverständlicher Teil eines gesamtdeutschen Wir werden. Dass wir vor allem im Westen mehr Aufmerksamkeit für ostdeutsche Identitäten entwickeln und die Lebensleistungen der Menschen im Osten mehr Anerkennung finden. Dass wir in den Medien viel mehr lesen über das, was die Menschen im Osten geschafft haben und wie viele sich für eine lebendige Zivilgesellschaft engagieren. Und dass der 9. Oktober als Jahrestag der Friedlichen Revolution ins gesamtdeutsche historische Bewusstsein Einzug hält – in Anerkennung der Menschen in Ostdeutschland, die sich selbst befreiten.