Wir sind der

Osten

Katrin Gellrich

Katrin Gellrich ist Kulturmanagerin, 1988 in Karl-Marx-Stadt geboren, in Zittau aufgewachsen.

Status: Katrin wohnt aktuell in Magdeburg.

Das Profil teilen:

Weshalb bist du zurückgekehrt?

Es musste ja unbedingt ein exotisches Studienfach sein. Der Ort war unerheblich. So verschlug es mich – gewissermaßen zufällig – in die bayerische Hauptstadt. Dass ich mich dort nicht wohlfühlte, hat vielerlei Gründe. Dass ich mich aber in Magdeburg – meiner nächsten zufälligen Station – sofort heimisch fühlte, verblüffte mich dann doch. Offenkundig harmonierte hier etwas zwischen meiner (ostdeutsch geprägten) Persönlichkeit und dem speziellen Flair dieser Stadt, das sich durchaus zu verbergen weiß, sowie deren Bewohner*innen. Vielleicht das: mehr Sein als Schein. Seitdem studiere ich (fast) nur noch Stellenausschreibungen in Ostdeutschland.

Wie gestaltest du die Zukunft?

2025 stellt Deutschland die Kulturhauptstadt Europas. Dass die Wahl auf das ostdeutsche Chemnitz fiel, freut mich sehr – wenngleich ich auf konkurrierender Seite gekämpft habe: Im Team der Magdeburger Kulturhauptstadt-Bewerbung habe ich Tiefenbohrungen in Geschichte und Gegenwart meines Wahlheimatorts betrieben und dabei eine Menge über ostdeutsche Problemlagen und Potentiale gelernt. Chemnitz und Magdeburg eint sehr viel. Ich habe Strategien entwickelt, welche Stadt, Bürgerschaft und Kulturszene nachhaltig voranbringen können. Die Kulturhauptstadt-Bewerbung ist passé – aber Wissen, Verständnis und Ideen für Ostdeutschland werde ich in zukünftige Tätigkeitsfelder hinübertragen.

  • 1988

    Karl-Marx-Stadt

  • Zittau

  • München

  • 2021

    Magdeburg

Glaubst du, deine Wende-Erfahrung bzw. die Wende-Erfahrung deiner Familie hat dich auch für den Digitalen Wandel gewappnet?

4 von 5
Stimme gar nicht zu
Stimme voll und ganz zu

Fühlst du dich Ostdeutsch?

Gerade mal ein reichliches Jahr vor der Wiedervereinigung geboren; erwachsen geworden in einem Internat mit Schüler*innen aus Ost und West – welche Rolle sollte diese theoretische Unterteilung für mich spielen? Das dachte ich, als ich auszog, mich quer durch die Republik fürs Studium zu bewerben. Nicht die Lage war ausschlaggebend, einzig der angebotene Inhalt. Erst nach und nach wurde mir auf meinen Reisen zu Aufnahmeprüfungen bewusst, dass mein Herz anders schlug, wenn der Zug die imaginäre Grenze vom Westen zum Osten überquert hatte. Weniger Nervosität, mehr Geborgenheit. Ich war auf bekanntem Parkett. An harten Fakten kann ich das bis heute nicht festmachen. Aber das Gefühl ist geblieben.

Wie beeinflusst dich deine ostdeutsche Herkunft?

Für das deutsch-polnisch-tschechische Dreiländereck, in dem ich aufgewachsen bin, habe ich beinahe lokalpatriotische Gefühle entwickelt. Ich schätze nicht nur die gelebte trinationale Nachbarschaft hoch – ich bewundere auch die zahlreichen engagierten Menschen, die diese „abgeschriebene“ ländliche Region unermüdlich zum Blühen bringen. Ob die Wendeerfahrung sie so kämpferisch macht? Ich vermute es. Meine Mutter jedenfalls musste sich in der Nachwendezeit neu erfinden und hat dies bravourös gemeistert. Dies ist mir Vorbild und hat mir eine (mutmaßlich) typisch ostdeutsche Eigenschaft verliehen: Flexibilität.

Was wünscht du dir für Ostdeutschland?

Mehr Selbstbewusstsein. Das wiederum die Angst vor dem Anderen, Fremden nimmt. Mehr Optimismus. Der wiederum Mut für und Lust auf Neues macht. Vielleicht eine neue Generation am Ruder, die diese Eigenschaften mitbringt. Und wiederum in der nächsten Generation fördert.